Das hilft wirklich gegen Lieferengpässe!
Kommt eine Person in die Apotheke, erlebt er zuweilen folgende Szene: Das Medikament, das auf dem Rezept steht, ist nicht vorrätig. Die Apotheker:in sucht im Computer, telefoniert – und am Ende wird ein anderes Präparat mit demselben Wirkstoff abgegeben. Das Problem ist: ein Lieferengpass.
In der Regel können fehlende Arzneimittel problemlos durch ein anderes ersetzt werden. Und doch kam es in der Vergangenheit etwa beim Brustkrebsmittel Tamoxifen immer mal wieder auch zu Versorgungsengpässen – also zu der Situation, dass es für ein Arzneimittel vorübergehend keine Alternativ-Präparate gab. Das war umso dramatischer, wenn es Krebsmedikamente und Antibiotika betraf.
Die Lage ist angespannt. Denn am Generika-Markt ist eine Situation entstanden, in der immer weniger Hersteller die Versorgung von immer mehr Menschen sichern müssen. Die Zahl der Wirkstoffe und Fertigarzneimittel, die nicht mehr in Deutschland oder Europa produziert, sondern in indischen und chinesischen Fabriken eingekauft werden, steigt beständig. Die Lieferketten in dieser hochkomplexen Industrie sind sensibel, anfällig für Störungen – und das kann, so sehen wir es heute, schwerwiegende Folgen für die Versorgung haben.
Was braucht es für mehr Versorgungssicherheit?
Fakt 1
Der Kostendruck auf die Generika ist so massiv gestiegen, dass er die Versorgungssicherheit gefährdet. Immer öfter sind Lieferengpässe die Folge.
Fakt 2
Wichtig ist, dass wieder mehr Hersteller die Versorgung der Patient:innen sichern und diese nicht von einigen wenigen geschultert werden muss. Bei vielen Wirkstoffen herrscht eine gefährliche Marktverengung. Es braucht Anreize, damit wieder mehr Unternehmen an der Versorgung teilnehmen.
Fakt 3
Bei der Entscheidung, wer mit der Krankenkasse einen Rabattvertrag abschließen und deren Versicherte versorgen darf, muss mehr zählen als nur der niedrigste Preis. Wichtig sind Maßnahmen, die die Lieferketten stärken.
Fakt 4
Für eine stabilere Arzneimittelproduktion in Europa müssen kurzfristig Maßnahmen ergriffen werden, die eine weitere Abwanderung verhindern und damit die Herstellung hierzulande stärken.
Fakt 5
Das Engagement sämtlicher Beteiligter ist nötig – und zwar auf gesamteuropäischer Ebene.
Was können wir tun?
Um die Ursachen des Problems zu beheben, ist es wichtig, dass alle Akteure geschlossen vorgehen. Hersteller, Politik und Krankenkassen können das gemeinsame Ziel nur mit vereinten Kräften erreichen: die sicherere und stabilere Versorgung aller Menschen in Deutschland und Europa.
Die Versorgung muss auf mehrere Schultern verteilt werden
Wichtig ist, dass wieder mehr Hersteller die Versorgung der Patientenschaft sichern und diese nicht von einigen wenigen geschultert werden muss. Bei vielen Wirkstoffen — etwa beim Brustkrebsmittel Tamoxifen oder beim Fiebersaft mit dem Wirkstoff Paracetamol - herrscht bereits eine gefährliche Marktverengung. Es braucht deshalb Anreize, damit wieder mehr Unternehmen an der Versorgung teilnehmen.
Das bedeutet: Weniger Preisdruck bei versorgungskritischen Arzneimitteln, für die es nur noch wenige Anbieter gibt. Es gilt zu verhindern, dass weitere Unternehmen aus der Versorgung mit wichtigen Medikamenten wie Tamoxifen aussteigen. So reduzieren wir Lieferengpässe und sorgen für mehr Versorgungssicherheit.
Dazu sagt Bork Bretthauer, Geschäftsführer von Pro Generika: “Nur die Arzneimittelhersteller sind in der Lage, unsere Medikamente zu produzieren und die Versorgung zu sichern. Daher müssen alle Anstrengungen darauf ausgerichtet sein, dass wieder mehr Unternehmen wirtschaftlich in die Lage kommen, Wirkstoffe und Arzneimittel herzustellen.”
Besonderes Augenmerk verdienen Arzneimittel wie das Brustkrebsmittel Tamoxifen, das Anfang des Jahres 2022 knapp zu werden drohte — Wirkstoffe also, bei denen bereits eine gefährliche Marktverengung zu beobachten ist. Hier müssen Preismoratorium (das Einfrieren von Arzneimittelpreisen auf dem Niveau des Jahres 2009), Festbeträge (Erstattungsbeträge, die der Hersteller von den Krankenkassen für sein Arzneimittel erhält und zwar unabhängig von den realen Produktionskosten) und Rabattverträge ganz oder zumindest für einen bestimmten Zeitraum ausgesetzt werden, bis wieder mehr Hersteller in die Versorgung einsteigen und diese dadurch sicherer wird.
Die Pro Generika-Wirkstoffstudie zeigt, wo die in Deutschland benötigten Arzneimittel-Wirkstoffe produziert werden und wie stark sich der Markt in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat.
Es darf nicht mehr nur um den günstigsten Preis gehen
Damit sich der Preisdruck auf Generika lockert, muss zudem das Prinzip der Rabattverträge verändert werden. Derzeit ist es so, dass der Preis das einzige Kriterium ist, welches darüber entscheidet, wer den Zuschlag bekommt und die Versicherten versorgen darf. Denn: Nur wer den höchsten Rabatt und damit den niedrigsten Preis gewährt, erhält den Zuschlag.
Der jahrelange Kostendruck aber hat den Betrag, den die Krankenkassen dem Hersteller für die Tagestherapiedosis eines Generikums erstatten, kontinuierlich gesenkt. Der Durchschnittspreis (also das, was ein Hersteller für sein Arzneimittel bekommt), liegt heute bei durchschnittlich sechs Cent pro Tagestherapiedosis. Tatsächlich landen nach Abzug der Rabatte bloß noch rund sieben Prozent der Ausgaben, die die gesetzlichen Krankenkassen für Generika aufwenden, bei den Generikaherstellern – und das obwohl sie inzwischen gut 79 Prozent des Arzneimittelbedarfs stellen. Erst 2019 hat die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA festgestellt, dass die Grundversorgung mit Generika unterfinanziert sei und dass speziell für Generikaunternehmen wichtige wirtschaftliche Anreize fehlen, um in die Stabilität ihrer Lieferketten zu investieren.
Das Ergebnis der negativen Preisspirale wird nun offensichtlich: Produktion und Lieferketten mussten immer effizienter werden – und das ging zulasten der Stabilität und der Liefersicherheit. Damit sich das ändert, braucht es mehr Kriterien bei den Rabattverträgen als nur den günstigsten Preis.
Dazu sagt Bork Bretthauer, Geschäftsführer von Pro Generika: “Derzeit treibt das deutsche Gesundheitssystem Unternehmen in einen Unterbietungswettbewerb. In den Ausschreibungen der Krankenkassen gewinnt der Hersteller, der das Arzneimittel zum günstigsten Preis anbietet. Kriterien, die eine höhere Versorgungssicherheit gewährleisten, spielen keine Rolle. Im Gegenteil: Wer in die Resilienz seiner LIeferkette investiert, wird bestraft. Denn er hat keine Chance, eine Ausschreibung zu gewinnen. Damit muss die Politik endlich Schluss machen. Sie muss die Versorgung wieder stabilisieren, in dem sie verbindliche Vorgaben für die Ausschreibungen macht.”
Hier erklärt Andreas Burkhardt, stellvertretender Vorsitzender von Pro Generika und Geschäftsführer von Teva Ratiopharm, das Prinzip der Arzneimittelausgaben — und erklärt, wie er sie gewinnen kann.
Wir brauchen einen starken Standort in Europa
Eine starke Arzneimittelproduktion in Europa ist wichtig für mehr Versorgungssicherheit. Die aktuellen globalen Krisen zeigen, wie abhängig wir bei der Arzneimittelproduktion vom (meist asiatischen) Ausland sind und wie wichtig es ist, im Krisenfall selbstständiger agieren zu können. Tatsache ist, dass sich eine europäische Produktion in weiten Teilen nicht mehr lohnt. Wie eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger schon im Jahre 2018 gezeigt hat, ist die Produktion etwa eines Antibiotikums in Europa angesichts des derzeitigen Preisniveaus für kein Unternehmen wirtschaftlich zu betreiben.
Deshalb bedarf es der Anstrengung aller Akteure, die weiter fortschreitende Abwanderung der Wirkstoff- und Arzneimittelproduktion ins Ausland aufzuhalten. Auf EU-Ebene sind wir bereits erste Schritte gegangen: Die Verabschiedung des SPC Manufacturing Waiver im Jahr 2019 hat einen wesentlichen Hemmschuh der europäischen Wirkstoffproduktion behoben. Bis zu ihrem Inkrafttreten im Jahr 2022 war es Generikaunternehmen nämlich verboten, vor Ablauf des sogenannten Supplementary Protection Certificate (SPC) in Europa zu produzieren – was die Verlagerung der Produktion ins Ausland noch begünstigte. Seit 2022 dürfen die Unternehmen nunmehr hierzulande produzieren, was sie nach dem Ablauf des SPC-Schutzes auch hierzulande verkaufen wollen.
Jetzt will die Politik weitere Maßnahmen initiieren. Der ehemalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat die Rückverlagerung der Produktion von kritischen Arzneimitteln nach Europa 2020 auf die Agenda der deutschen EU-Ratspräsidentschaft gesetzt. Die Ampelregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag 2021 das Thema ebenfalls manifestiert. Gemeinsam mit der EU-Kommission, dem Europäischen Parlament und den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union müssen nun Lösungen zur Bewahrung und Stärkung der hiesigen Produktion von Arzneimitteln erarbeitet werden.
Was aber braucht es für mehr „Made in Europe“ und welche Schritte sind jetzt zu gehen? Unseren Standpunkt dazu erfahren Sie hier.
Das 1x1 der Generika
Was sind Generika?
Generika sind Nachahmerprodukte von Arzneimitteln, die ehemals patentgeschützt waren. Ist der Patentschutz abgelaufen (i.d.R. nach 20 Jahren), dürfen auch andere Hersteller die Arzneimittel auf den Markt bringen. Diese sind deutlich günstiger als das Original.
Haben Generika denselben Wirkstoff?
Ja! Die Zulassung von Generika durch eine staatliche Behörde ist der amtliche Nachweis, dass es sich bei dem Generikum um ein Arzneimittel handelt, das den identischen Wirkstoff und dieselbe Qualität hat.
Haben Generika dieselbe Qualität?
Für Generika gelten dieselben Anforderungen an Arzneimittelsicherheit und Qualität wie für alle anderen Medikamente auch. Deutsche und europäische Vorschriften regeln die Zulassung und legen fest, wie die Prüfbehörden (z.B. EMA, BfArM oder Paul-Ehrlich-Institut) die Qualität überwachen müssen.
Wofür gibt es Generika?
Generika machen die Arzneimittelversorgung bezahlbar, denn sie sind deutlich günstiger als das Originalprodukt. Dank Generika hat jeder Mensch in Deutschland Zugang zu der Therapie, die er braucht. Die massiven Einsparungen durch Generika führen zudem dazu, dass die Versichertengemeinschaft auch teure Therapien Einzelner bezahlen kann.
Welche Krankheiten werden mit Generika behandelt?
Generika decken in Deutschland nahezu 79 Prozent des gesamten Arzneimittelbedarfs ab. Es gibt sie nicht bloß gegen leichte Erkrankungen wie Nagelpilz oder Schnupfen. Vor allem werden sie gegen Volkskrankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes oder Schmerzen eingesetzt. Auch in der Krebs- oder HIV-Therapie finden Generika Anwendung.