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Wird’s jetzt bes­ser? Was das ALBVVG für die Her­stel­ler bedeutet!

Die Bun­des­re­gie­rung will der Arz­nei­mit­tel-Knapp­heit begeg­nen: mit dem Gesetz zur Bekämp­fung von Lie­fer­eng­päs­sen bei patent­frei­en Arz­nei­mit­teln und zur Ver­bes­se­rung der Ver­sor­gung mit Kin­der­arz­nei­mit­teln (#ALBVVG).

Doch wird die­ses Gesetz den Man­gel an wich­ti­gen Medi­ka­men­ten auch tat­säch­lich been­den? Wir haben die gefragt, die es wis­sen müs­sen: die Generika-Hersteller.

„Die Fie­ber­saft-Pro­duk­ti­on ist kos­ten­de­ckend – mehr nicht“

Der Kampf dau­er­te den gan­zen Herbst und Win­ter. Wegen einer mas­si­ven Erkäl­tungs­wel­le unter Kin­dern stieg die Nach­fra­ge nach Fie­ber­saft stark an. Der Her­stel­ler Teva reagier­te: Er erwei­ter­te die Pro­duk­ti­on, stell­te neu­es Per­so­nal ein, ver­such­te, Papier‑, Glas- und Ver­schluss-Eng­päs­se zu über­brü­cken – und kam doch nicht hin­ter­her. Denn alle ande­ren Her­stel­ler hat­ten sich in den Jah­ren zuvor aus dem Markt zurück­ge­zo­gen – weil bei einem Preis von 1,36 Euro für eine Fla­sche Par­acet­amol-Fie­ber­saft eine wirt­schaft­li­che Pro­duk­ti­on kaum mehr zu machen war.

„Dass Kin­der nicht ver­sorgt wer­den kön­nen, möch­te ich nicht noch ein­mal erle­ben“, sag­te Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lau­ter­bach in der Pres­se­kon­fe­renz zum Kabi­netts­ent­wurf im April 2023. Das sei kein ehr­ba­rer Zustand. Sein Mot­to lau­te des­halb jetzt: „Kin­der zuerst“. Und so leg­te er im ALBVVG fest, dass Kin­der­arz­nei­mit­tel um 50 Pro­zent teu­rer wer­den dür­fen. Gleich­zei­tig ver­häng­te er für die­se ein Ver­bot von Rabattverträgen.

Andre­as Burk­hardt, Geschäfts­füh­rer von Teva in Deutschland

„Die Pro­duk­ti­on ist jetzt kos­ten­de­ckend – und das ist für uns erst mal eine Erleich­te­rung. Den­noch den­ke ich nicht, dass jetzt Unter­neh­men die Pro­duk­ti­on wie­der auf­neh­men. Kos­ten­de­ckend reicht ja nicht. Und wir bei Teva über­le­gen natür­lich auch, ob wir wei­ter in eine Pro­duk­ti­on inves­tie­ren, die kei­nen Gewinn erwirt­schaf­tet. Schlimm ist halt nur: Wenn wir auch noch aus­stei­gen, wird es kei­nen Par­acet­amol-Saft mehr geben.“

„Die Her­stel­lung von Tam­oxi­fen ist ein Ver­lust­ge­schäft – also las­se ich es“

Ein Schock war es für Patient:innen und Ärzt:innen, als zu Beginn des Jah­res das Brust­krebs­mit­tel Tam­oxi­fen knapp zu wer­den droh­te: ein Medi­ka­ment, das Men­schen mit hor­mon­re­zep­tor­po­si­ti­vem Brust­krebs zehn Jah­re lang nach der Erst­dia­gno­se neh­men, damit die Krank­heit nicht zurück­kommt. Die Knapp­heit war eine Fol­ge der Ent­wick­lung der ver­gan­ge­nen Jah­re. Nach­dem Zulie­fe­rer ihre Prei­se erhöht hat­ten, stie­gen Her­stel­ler wie das Ber­li­ner Unter­neh­men Aris­to Phar­ma aus der Pro­duk­ti­on aus. Der­zeit sichern nur zwei Unter­neh­men die Ver­sor­gung mit Tam­oxi­fen in Deutsch­land – für 8,80 Euro pro Dreimonatspackung.

An all dem soll­te das ALBVVG ursprüng­lich etwas ändern. Der Refe­ren­ten­ent­wurf sah noch vor, die Aus­schrei­bungs­be­din­gun­gen für Krebs­me­di­ka­men­te (Onko­lo­gi­ka) zu modi­fi­zie­ren und so neue Anrei­ze für Unter­neh­men zu schaf­fen, die Pro­duk­ti­on wie­der auf­zu­neh­men. Doch der Pas­sus wur­de gestri­chen. An den Rah­men­be­din­gun­gen für die Tam­oxi­fen-Pro­duk­ti­on ändert sich daher nichts.

Lothar Gus­ke, Geschäfts­füh­rer von Aris­to Pharma

„Ich könn­te jeder­zeit wie­der Tam­oxi­fen pro­du­zie­ren, aber ich tue es nicht. Die Her­stel­ler­kos­ten haben sich ver­dop­pelt, der Preis ist seit zehn Jah­ren der­sel­be. Wir sind ein Wirt­schafts­un­ter­neh­men und müs­sen aus­kömm­lich arbei­ten – das aber kön­nen wir in die­sem wie in unzäh­li­gen ande­ren Fäl­len lei­der nicht.“

„Preis­er­hö­hun­gen brin­gen nichts, solan­ge Rabatt­ver­trä­ge gelten“

Das Gene­ri­ka-Geschäft ist ein Cent-Geschäft. Gera­de mal sechs Cent erhal­ten die Her­stel­ler für ein durch­schnitt­li­ches Gene­ri­kum. Ein Grund: Rabatt­ver­trä­ge, in denen die Her­stel­ler den Kran­ken­kas­sen – so sag­te es Jens Baas, Chef der Tech­ni­ker Kran­ken­kas­se, im FAZ-Inter­view – rund 90 Pro­zent Preis­ab­schlä­ge bie­ten müssen.

„Wir haben es bei Arz­nei­mit­teln mit der Öko­no­mi­sie­rung über­trie­ben“, sag­te Lau­ter­bach Ende 2022. „Ver­sor­gung muss uns wie­der mehr wert sein.” Des­halb legt das ALBVVG fest: Die Fest­be­trä­ge der Arz­nei­mit­tel, die vom Bun­des­in­sti­tut für Arz­nei­mit­tel und Medi­zin­pro­duk­te als ver­sor­gungs­es­sen­zi­el­le Arz­nei­mit­tel defi­niert wur­den, dür­fen für zwei Jah­re um bis zu 50 Pro­zent stei­gen. Bloß: Das Gesetz hebt die Rabatt­ver­trä­ge auf. Und die­se sehen vor, dass jede Preis­er­hö­hung an die Kran­ken­kas­se abzu­füh­ren ist.

Ingrid Blu­men­thal, Geschäfts­füh­re­rin von ALI­UD Pharma

„Eine Preis­er­hö­hung für zwei Jah­re wird kei­nen Unter­neh­mer moti­vie­ren, sei­ne Pro­duk­ti­on hoch­zu­fah­ren. Das ist zu wenig Pla­nungs­si­cher­heit. Außer­dem ist es so: Wenn ein Fest­be­trag um 50 Pro­zent erhöht wird, es für das Pro­dukt aber gleich­zei­tig einen Rabatt­ver­trag gibt – dann gilt der im Rabatt­ver­trag ver­ein­bar­te Preis. Eine Erhö­hung des Fest­be­tra­ges kommt also nur dann bei uns Her­stel­lern an, wenn auch die Rabatt­ver­trä­ge aus­ge­setzt wer­den. Das aber sieht das ALBVVG nicht vor. Von daher wer­den wir bei immer mehr Arz­nei­mit­teln die Pro­duk­ti­on ein­stel­len müs­sen und die Patient:innen nicht mehr ver­sor­gen können.“

„Wir sind abhän­gig von Asi­en — nicht nur bei Antibiotika“

Kin­der­arz­nei­mit­tel wer­den teu­rer, bei Anti­bio­ti­ka-Aus­schrei­bun­gen müs­sen Lie­fer­ket­ten diver­si­fi­ziert wer­den. Doch bei 99 Pro­zent aller Arz­nei­mit­tel bleibt die Lage unver­än­dert – und teils dra­ma­tisch. Bei wich­ti­gen Blut­druck­sen­kern, Schmerz­mit­teln oder Dia­be­tes­me­di­ka­men­ten stei­gen mas­sen­haft Her­stel­ler aus der Pro­duk­ti­on aus. Es herrscht Abhän­gig­keit von Asi­en. Auch hier schwächt der nied­ri­ge Preis die Lie­fer­ket­ten und damit die Versorgungssicherheit.

Josip Mestro­vic, Geschäfts­füh­rer von Zentiva

„Für ein Dia­be­tes­mit­tel erhal­te ich zwei Cent pro Pil­le, bei wich­ti­gen Schmerz­mit­teln ist es sogar noch weni­ger. Die­ser Preis­druck hat zu einer mas­si­ven Abhän­gig­keit von Chi­na geführt, denn nur die chi­ne­si­schen Her­stel­ler kön­nen so güns­tig anbie­ten.“ Laut Mestro­vic ver­schärft sich das Pro­blem der­zeit noch, wie er beim Pro Gene­ri­ka-Früh­lings­talk berich­tet: „Inzwi­schen bre­chen mir sogar chi­ne­si­sche Zulie­fe­rer weg. Sie lie­fern lie­ber in ande­re Län­der, weil sie dort mehr Geld bekom­men. Wir brau­chen ande­re Rah­men­be­din­gun­gen, star­ke und diver­si­fi­zier­te Lie­fer­ket­ten. Für alle Gene­ri­ka – und nicht bloß für Kin­der­arz­nei­mit­tel und Antibiotika.“

6 Mona­te Lager­hal­tung — dar­um wird es die Lage verschlimmern!

Es gibt zu wenig Produktionskapazitäten

Das ALBVVG ver­pflich­tet Gene­ri­ka-Unter­neh­men, Arz­nei­mit­tel­vor­rä­te von sechs Mona­ten auf Lager zu haben, sofern sie einen Rabatt­ver­trag mit einer Kran­ken­kas­se ein­ge­hen. Dabei gab es für vie­le Arz­nei­mit­tel kaum noch Pro­duk­ti­ons­ka­pa­zi­tä­ten — ein Grund für die Eng­päs­se. Wie die Kapa­zi­tä­ten ohne Anrei­ze auf­ge­stockt wer­den sol­len, ist unklar. 

Der Kos­ten­druck auf die Her­stel­ler steigt

Seit Jah­ren kämp­fen Gene­ri­ka-Her­stel­ler mit stei­gen­den Kos­ten und haben kei­ne Mög­lich­keit, ihre Prei­se zu erhö­hen. Jetzt erhöht die Auf­la­ge zur Lager­hal­tung die Kos­ten wei­ter. Denn: Mehr Pro­duk­ti­on und mehr Lager kos­ten auch mehr Geld. 

Wei­te­re Rück­zü­ge wer­den folgen

Zuletzt hat­te sich mehr und Her­stel­ler aus der Pro­duk­ti­on zurück­ge­zo­gen. Das ALBVVG woll­te Anrei­ze set­zen, damit sie zurück­keh­ren. Statt­des­sen hat es den Druck erhöht. Wei­te­re Rück­zü­ge und mit­hin noch mehr LIe­fer­eng­päs­se wer­den die Fol­ge sein.

„Die Ver­sor­gungs­la­ge bleibt so, wie sie ist: labil und teil­wei­se sogar prekär“

Die jüngs­ten Eng­päs­se sind ent­stan­den, weil immer weni­ger Her­stel­ler Gene­ri­ka kos­ten­de­ckend pro­du­zie­ren kön­nen. Das Gesetz hät­te Anrei­ze schaf­fen müs­sen, damit Unter­neh­men wie­der in die Ver­sor­gung ein­stei­gen. Die­se Chan­ce aber nutzt es nicht. Wenn Unter­neh­men mit der Her­stel­lung von Arz­nei­mit­teln wei­ter­hin rote Zah­len schrei­ben — und das wer­den auf­grund der Ver­pflich­tung zur Lager­hal­tung noch mehr wer­den — wer­den sie sich aus der Ver­sor­gung zurück­zie­hen müs­sen. Eng­päs­se wer­den die Fol­ge sein.

Bork Bretthauer, Geschäftsführer von Pro Generika

Bork Brett­hau­er, Geschäfts­füh­rer von Pro Generika

„Ziel des ALBVVG ist die nach­hal­ti­ge Bekämp­fung von Lie­fer­eng­päs­sen, doch es nimmt zunächst nur Kin­der­arz­nei­mit­tel und Anti­bio­ti­ka ins Visier. Bei allen ande­ren Medi­ka­men­ten bestehen die Pro­ble­m­ur­sa­chen wei­ter, und die Ver­sor­gungs­la­ge bleibt so, wie sie ist: labil und teil­wei­se sogar prekär.“

Die wich­tigs­ten Maß­nah­men des ALBVVG

Preis­in­stru­men­te für ver­sor­gungs­kri­ti­sche Arz­nei­mit­tel kön­nen im Fall einer Markt­ver­en­gung gelo­ckert wer­den. Gibt es zu wenig Anbie­ter, kön­nen Fest­be­trag oder Preis­mo­ra­to­ri­um ein­ma­lig um 50 Pro­zent ange­ho­ben werden. 

Vor­han­de­ne Struk­tu­ren zur Bewäl­ti­gung von Lie­fer­eng­päs­sen bei Arz­nei­mit­teln wer­den gestärkt: Das BfArM erhält zusätz­li­che Infor­ma­ti­ons­rech­te u.a. gegen­über Her­stel­lern und Kran­ken­haus­apo­the­ken. Zudem wird ein Früh­warn­sys­tem zur Erken­nung von dro­hen­den Lie­fer­eng­päs­sen eingerichtet.

Für Kin­der­arz­nei­mit­tel wer­den die Preis­re­geln gelo­ckert: Fest­be­trä­ge und Rabatt­ver­trä­ge wer­den abge­schafft. Die phar­ma­zeu­ti­schen Unter­neh­mer kön­nen ihre Abga­be­prei­se ein­ma­lig um bis zu 50 Pro­zent des zuletzt gel­ten­den Fest­be­tra­ges bzw. Preis­mo­ra­to­ri­ums-Prei­ses anheben. 

Zukünf­tig darf es weder Rabatt­ver­trä­ge über Kin­der­arz­nei­mit­tel geben, noch dür­fen Fest­be­trags­grup­pen mit Kin­der­arz­nei­mit­teln gebil­det wer­den. Anti­bio­ti­ka mit Wirk­stoff­pro­duk­ti­on im euro­päi­schen Wirt­schafts­raum müs­sen bei Aus­schrei­bun­gen von Kas­sen­ver­trä­gen zusätz­lich berück­sich­tigt werden.

So kom­men­tie­ren wir das ALBVVG