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ALBVVG ver­folgt die rich­ti­gen Zie­le – erreicht sie der­zeit aber nicht

  • Bun­des­ta­gesab­ge­ord­ne­ten Dr. Pau­la Piech­ot­ta und Dr. Georg Kip­pels dis­ku­tier­ten mit Vertrer:innen der Arzneimittelhersteller
  • Kon­sens war: Es braucht Nach­bes­se­run­gen und ein Früh­warn­sys­tem, das alle not­wen­di­gen Instru­men­te umfasst und zukünf­ti­ge Eng­päs­se abwendet
  • Hier gibt es die Dis­kus­si­on zum Nachschauen

Ber­lin – Die Bun­des­re­gie­rung hat mit dem Arz­nei­mit­tel-Lie­fer­eng­pass­be­kämp­fungs- und Ver­sor­gungs­ver­bes­se­rungs­ge­setz (ALBVVG) ein Gesetz vor­ge­legt, das die Ursa­chen von Eng­päs­sen bei wich­ti­gen Arz­nei­mit­teln bekämp­fen soll.

Was aber taugt die­ses Regel­werk? Wird es Eng­päs­se ver­hin­dern? Und wo muss noch nach­ge­schärft wer­den? Das war das The­ma der Podi­ums­dis­kus­si­on beim dies­jäh­ri­gen Früh­lings­fest von Pro Gene­ri­ka am 19.4.2023 in Berlin.

„Wir brau­chen diver­si­fi­zier­te Lieferketten“

Für Dr. Pau­la Piech­ot­ta, MdB für Bünd­nis 90/Die Grü­nen, war klar: Um künf­ti­ge Eng­päs­se zu ver­hin­dern, muss das Gesetz in ers­ter Linie die Idee des De-Ris­kings ver­fol­gen: „Wir müs­sen stra­te­gi­sche Abhän­gig­kei­ten redu­zie­ren. Dafür brau­chen wir diver­si­fi­zier­te­re Lie­fer­ket­ten.“

Andre­as Burk­hardt, Vor­sit­zen­der von Pro Gene­ri­ka, beton­te die damit ver­bun­de­ne Not­wen­dig­keit von Anrei­zen für die Unter­neh­men: „Für ech­te Diver­si­fi­zie­rung braucht es vor allem vie­le Her­stel­ler. Die­se haben sich aber mehr und mehr aus der Pro­duk­ti­on zurück­ge­zo­gen, weil die­se wirt­schaft­lich nicht mehr dar­stell­bar war.“

„Bei Gene­ri­ka herr­schen kei­ne nor­ma­len Marktgesetze“

Dr. Georg Kip­pels mach­te u.a. die explo­die­ren­den Kos­ten für den Markt­rück­zug ein­zel­ner Unter­neh­men ver­ant­wort­lich. „Der Gene­ri­ka-Markt ist völ­lig über­re­gu­liert. Die Her­stel­ler kön­nen ihre Prei­se nicht den gestie­ge­nen Kos­ten anpas­sen. Sie haben nur die Wahl: Ent­we­der ich neh­me ein unwirt­schaft­li­ches Pro­dukt vom Markt oder ich pro­du­zie­re es mit Ver­lust. Das aber geht nur vor­über­ge­hend und auch nur, wenn sich der Ver­lust durch ande­re Pro­duk­te aus­glei­chen lässt. Die­se Misch­kal­ku­la­ti­on wird der­zeit aber immer schwieriger.“

Das illus­trier­te Lothar Gus­ke, Geschäfts­füh­rer von Aris­to Phar­ma mit dem Bei­spiel Tam­oxi­fen – ein Brust­krebs­mit­tel, das im ver­gan­ge­nen Jahr knapp wur­de: „Die Her­stel­lungs­kos­ten hat­ten sich ver­dop­pelt, den Preis aber konn­ten wir nicht anhe­ben. Des­halb muss­ten wir aus der Pro­duk­ti­on aussteigen.“

Josip Mestro­vic, Geschäfts­füh­rer von Zen­ti­va Phar­ma mach­te klar, dass der­zeit die Unter­neh­men auf den explo­die­ren­den Kos­ten sit­zen blie­ben: „Wir stem­men das noch und wir wol­len auch kei­ne Sub­ven­tio­nen. Aber wir brau­chen drin­gend ande­re Rah­men­be­din­gun­gen – und das liegt in der Ver­ant­wor­tung der Politik!“

„Das ALBVVG ist gut gemeint, aber nicht gut gemacht“

Ingrid Blu­men­thal, Geschäfts­füh­re­rin von ALI­UD PHAR­MA lob­te, dass das ALBVVG zumin­dest teil­wei­se die rich­ti­gen Schrit­te gehe: „Die Poli­tik hat erkannt, dass wir höhe­re Prei­se erzie­len kön­nen müs­sen, um am Markt blei­ben zu kön­nen“, sag­te sie. „Aber Prei­se rauf­set­zen allein reicht nicht. Denn wenn die Rabatt­ver­trä­ge bestehen blei­ben, müs­sen wir die Dif­fe­renz direkt wie­der an die Kran­ken­kas­sen abfüh­ren – und haben so viel wie zuvor.“

„Es braucht ein Früh­warn­sys­tem, das chir­ur­gisch ein­greift und gegensteuert“

Zur Ver­hin­de­rung wei­te­rer Eng­päs­se geht es für den Pro Gene­ri­ka-Vor­sit­zen­den Burk­hardt jetzt vor allem um eine intel­li­gen­te Aus­ge­stal­tung des im Gesetz vor­ge­se­he­nen Früh­warn­sys­tems „Die jüngs­ten Eng­päs­se sind ent­stan­den, weil immer mehr Her­stel­ler aus der Ver­sor­gung aus­ge­stie­gen sind. Zukünf­tig müs­sen wir die­sen Pro­zess recht­zei­tig erken­nen und vor allem kon­se­quent gegensteuern.“

Der Pro Gene­ri­ka-Vor­schlag für ein Früh­warn­sys­tem geht so: Wann immer es fünf oder weni­ger Her­stel­ler für ein Arz­nei­mit­tel gibt, die einen nen­nens­wer­ten Ver­sor­gungs­an­teil (min­des­tens 5 Pro­zent) haben, müs­sen die Grün­de vom BfArM / Bei­rat eva­lu­iert und – sofern öko­no­mi­sche Ursa­chen für die Markt­aus­trit­te vor­lie­gen – sämt­li­che Preis­sen­kungs­me­cha­nis­men ange­passt wer­den. Fünf Jah­re lang darf es für die­se Arz­nei­mit­tel dann kei­ne Rabatt­ver­trä­ge geben, der neue Preis kann bis zu 50 Pro­zent über dem alten lie­gen. Das bringt den Unter­neh­men ein Markt­um­feld, in dem sie ver­läss­li­che Inves­ti­ti­ons­ent­schei­dun­gen tref­fen können.

„Am Geset­zes­ent­wurf wird sich noch etwas ändern“

Für Piech­ot­ta ist klar: „Das Gesetz wird den Bun­des­tag nicht so ver­las­sen, wie es ihn betre­ten hat. Aber es muss auch nicht gleich der gro­ße Wurf sein.“ Man kön­ne sich auch lang­sam vor­tas­ten und jeweils schau­en, wel­che Maß­nah­men zum Erfolg geführt hät­ten – und wel­che nicht.

20.04.2023