Weil der Preisdruck bei Paracetamol-Säften zu hoch war, stiegen nach und nach die Hersteller aus.
Jetzt ist noch ein Hauptanbieter übrig, der das Kinderarzneimittel produziert.
Für Kinderärzte und ‑ärztinnen ist es ein wichtiges Mittel zur Fiebersenkung: Rund eine Million Flaschen Paracetamol-Fiebersäfte verschreiben sie jährlich. Jetzt haben fast alle Hersteller die Produktion des Saftes eingestellt. Ein einziger stemmt noch die Hauptlast der Versorgung – und hat schon mit Lieferengpässen zu kämpfen.
Alles steigt — nur nicht der Preis, den der Hersteller nehmen kann
Eine dramatische Marktverengung – massiver noch als beim Brustkrebsmittel Tamoxifen, für das vor kurzem ein Versorgungsengpass drohte. Wie ist es dazu gekommen?
- Vor zwölf Jahren gab es elf Anbieter flüssiger Paracetamol-Zubereitungen. Heute ist bloß noch ein Hauptanbieter übrig. Da der vorletzte große Hersteller zu Monatsbeginn ankündigte, die Produktion mangels Wirtschaftlichkeit einzustellen, muss Teva mit seiner Arzneimittelmarke ratiopharm nunmehr 90 Prozent des Bedarfes produzieren.
- Ein Grund für die Marktverengung: der Festbetrag. Seit zehn Jahren auf demselben Niveau führt er dazu, dass der Hersteller gerademal 1,36 Euro pro Flasche erhält.
- Gleichzeitig steigen die Preise, die der Hersteller für Energie, Logistik und Wirkstoffe aufbringen muss. Allein in den letzten 12 Monaten ist der Wirkstoff Paracetamol um 70 Prozent teurer geworden. Wichtig dabei: Der Betrag, den der Hersteller von den Krankenkassen erhält, erhöht sich nicht.
Die Marktsituation erinnert an Tamoxifen
Die Marktverengung bei flüssigen Paracetamol-Zubereitungen zeigt erneut, wie gefährlich der systematische Kostendruck bei Generika für unsere Versorgung geworden ist. Gerade erst war es dank des großen Einsatzes der Generikahersteller gelungen, einen Versorgungsengpass bei Tamoxifen abzuwenden. Hier hatten sich zunächst Zulieferer und später ein Hersteller aus der Produktion zurückgezogen. Der Ausfall konnte von den anderen irgendwie kompensiert werden – aber das war ein einmaliger Kraftakt.
Andreas Burkhardt, General Manager Teva Deutschland & Österreich und stellvertretender Vorsitzender von Pro Generika zu der Entwicklung bei Paracetamol-Säften: „Rasant steigende Wirkstoff- und Produktionspreise bei eingefrorenen Preisen machen die Produktion von Arzneimitteln wie Paracetamol-Säften zum Verlustgeschäft. Kein Unternehmen hält das auf Dauer durch. Wir müssen den Kostendruck auf Generika endlich lockern – vor allem bei kritischen Arzneimitteln, die nur noch von wenigen Herstellern produziert werden. Festbeträge und Rabattverträge müssen so lange ausgesetzt werden, bis wieder mehr Unternehmen in die Versorgung eingestiegen sind. Ansonsten kommt es zu Versorgungsengpässen – das wissen wir nicht erst seit Tamoxifen.“
Mai 2022