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Zur Bun­des­tags­wahl 2021: Das soll­te Poli­tik jetzt tun!

Wie wir unse­re Arz­nei­mit­tel­ver­sor­gung wie­der sta­bi­ler machen

Gro­ße Auf­ga­ben für die neue Regie­rung: Die Coro­na-Pan­de­mie hat einer brei­ten Öffent­lich­keit vor Augen geführt, wie labil die Ver­sor­gung mit Arz­nei­mit­teln sein kann. Was sind die Leh­ren aus Covid-19 für die brei­te Versorgung? 

An wel­chen Stel­len herrscht Reform­be­darf? Und was soll­te die neu gewähl­te Bun­des­re­gie­rung aus Sicht der Gene­ri­ka-Unter­neh­men als Ers­tes anpa­cken? Unse­re Vor­schlä­ge lesen Sie hier und in unse­rem Positionspapier. 

Sep­tem­ber 2021

War­um es in der Kri­se auf Gene­ri­ka ankommt

COVID-19 ist ein Beben, das unser Gesund­heits­sys­tem fun­da­men­tal erschüt­tert hat. Das hat bis heu­te auch Aus­wir­kun­gen auf die Ver­sor­gung mit Arz­nei­mit­teln. Um die Ver­sor­gung in Deutsch­land sicher­zu­stel­len, bedurf­te es – vor allem in der ers­ten Wel­le der Pan­de­mie, als die Lie­fer­ket­ten unter extre­men Druck stan­den und in wei­ten Tei­len fast zum Erlie­gen kamen — eines mas­si­ven Kraft­akts der Generikaunternehmen. 

Die­se haben Pro­duk­ti­ons­ka­pa­zi­tä­ten erhöht, teu­re­re Luft­fracht orga­ni­siert, Son­der­schich­ten gefah­ren. Außer­dem haben sie Mit­a­bei­ter aus der Ren­te zurück geholt und mit den Behör­den prag­ma­ti­sche Wege gefun­den, um die erfor­der­li­chen Arz­nei­mit­tel lie­fern zu können. 

Ihre Anstren­gun­gen ret­te­ten nicht nur die Ver­sor­gung von Mil­lio­nen chro­nisch Erkrank­ten. Sie sicher­ten auch die Ver­sor­gung auf den Inten­siv­sta­tio­nen. Hier, wo Ärz­te­schaft und Pfle­ge­kräf­te tag­täg­lich um das Leben von Covid-19-Erkrank­ten kämp­fen, kommt es seit Beginn der Pan­de­mie vor allem auch auf Gene­ri­ka an. 69 der 71 auf den Inten­siv­sta­tio­nen zur Behand­lung von Covid-19-Patient:innen benö­tig­ten Arz­nei­mit­tel sind gene­risch — und kei­nes wur­de knapp.

Dass in Deutsch­land alle Patient:innen zu jedem Zeit­punkt die Arz­nei­mit­tel beka­men, die sie brauch­ten, ist somit auch und vor allem das Ver­dienst der Gene­rik­aun­ter­neh­men. Und es ist ein klei­nes Wunder.

Die Ver­sor­gung in Pan­de­mie­zei­ten war ein bei­spiel­lo­ser Kraftakt

Diskussion: Sicherheit der Versorgung mit Arzneimitteln in Deutschland

Wolf­gang Späth

Ex-Vor­stands­vor­sit­zen­der Pro Generika

“Das war eine ein­ma­li­ge Kraft­an­stren­gung. Wir dür­fen das nicht als Blau­pau­se neh­men und uns dar­auf ver­las­sen, dass auch beim nächs­ten Mal alles gut geht“

Denn: Schon seit Jah­ren kommt es immer wie­der zu Eng­päs­sen von teils ver­sor­gungs­kri­ti­schen Arz­nei­mit­teln. Weil ein Groß­teil der wich­ti­gen Medi­ka­men­te in Asi­en pro­du­ziert wer­den, weil glo­ba­le Lie­fer­ket­ten immer wie­der unter­bro­chen wer­den und es welt­weit nur noch so weni­ge Her­stel­ler gibt, dass kaum jemand Lücken in den Lie­fer­ket­ten über­brü­cken kann, wer­den Arz­nei­mit­tel bei uns immer wie­der knapp.

Ursa­che des Pro­blems ist der Kostendruck 

Wor­an das liegt, ist weit­ge­hend unstrit­tig: Seit mehr als zwan­zig Jah­ren gibt es in der Gesund­heits­po­li­tik ein alles beherr­schen­des Dog­ma — und das lau­tet: Kos­ten spa­ren. Beson­ders die Grund­ver­sor­gung (Gene­rik­aun­ter­neh­men stel­len 78 Pro­zent der Arz­nei­mit­tel her) wur­de immer mehr auf Effi­zi­enz getrimmt. Real leis­ten Gene­rik­aun­ter­neh­men heu­te immer mehr Ver­sor­gung für einen immer gerin­ge­ren Anteil an den rea­len Arz­nei­mit­tel­aus­ga­ben der Gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung (GKV) – und zwar 8,4 Prozent.

Der Gene­ri­ka-Anteil an der Ver­sor­gung steigt, der an den Kos­ten sinkt

Die­se Ent­wick­lung mag für die Kran­ken­kas­sen – zumin­dest auf den ers­ten Blick — erfreu­lich sein: Sie bezah­len den Unter­neh­men für die Tages­do­sis eines Gene­ri­kums durch­schnitt­lich bloß noch sechs Cent. 

Die Tages­do­sis eines Gene­ri­kums kos­tet 6 Cent 

Der Kos­ten­druck desta­bi­li­siert die Versorgungssicherheit

Für die Ver­sor­gungs­si­cher­heit aber ist die­ses Dog­ma ver­hee­rend, wie die wach­sen­de Zahl der Lie­fer­eng­päs­se zeigt. Auf­grund des stän­dig stei­gen­den Kos­ten­drucks, müs­sen Unter­neh­men ihre Lie­fer­ket­ten auf immer noch grö­ße­re Effi­zi­enz trim­men, ihre Pro­dukt­port­fo­li­os fort­wäh­rend auf nicht-wirt­schaft­li­che Prä­pa­ra­te ana­ly­sie­ren und — etwa bei der Ent­schei­dung, ob sie den Wirk­stoff in Euro­pa oder Asi­en bezie­hen — immer mehr auf den güns­tigs­ten, also den asia­ti­schen zurückgreifen. 

Wie eine sol­che Ent­schei­dung aus Unter­neh­mens­sicht aus­sieht und war­um er als Her­stel­ler gezwun­gen ist, den Wirk­stoff in Asi­en zu kau­fen, um wett­be­werbs­fä­hig zu sein — hat Chris­toph Stol­ler (damals noch Geschäfts­füh­rer von Teva Deutsch­land) auf dem Pro Gene­ri­ka-Früh­lings­talk im Mail 2021 erklärt.

Chris­toph Stol­ler (teva): War­um ich Wirk­stof­fe in Asi­en kau­fen muss

Die­se Ent­wick­lung hat zu mas­si­ven Abhän­gig­kei­ten geführt

Nament­lich ist das

  • die Kon­zen­tra­ti­on auf effi­zi­en­te, aber zah­len­mä­ßig weni­ge Zulie­fe­rer z. B. für wich­ti­ge Wirkstoffe
  • die Ver­la­ge­rung der Pro­duk­ti­on aus Deutsch­land her­aus: Kamen vor rund 20 Jah­ren knapp zwei Drit­tel der Wirk­stof­fe, die für die Grund­ver­sor­gung wich­tig sind, aus Euro­pa und ein Drit­tel aus Asi­en, hat sich die­ses Ver­hält­nis jetzt kom­plett in sein Gegen­teil verkehrt

So haben sich die Wirk­stoff­zer­ti­fi­ka­te von Euro­pa nach Asi­en verlagert

Die poli­ti­sche Ein­sicht ist längst da!

Vie­le Gesundheitspolitiker:innen haben in der Coro­na-Kri­se die Abhän­gig­keit der Ver­sor­gung in Deutsch­land von Län­dern außer­halb Euro­pas erkannt. Sie haben ver­stan­den, dass die Grund­ver­sor­gung mit Arz­nei­mit­teln nicht nur kein Kos­ten­trei­ber – son­dern lang­fris­tig unter­fi­nan­ziert ist. 

Zuletzt hat der Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te Micha­el Henn­rich (CDU) beim Pro Gene­ri­ka-Früh­lings­talk 2021 ange­kün­digt, das Pro­blem in der nächs­ten Legis­la­tur end­lich ange­hen zu wollen. 

Micha­el Henn­rich (CDU): War­um Poli­tik jetzt ein­schrei­ten muss

Auch der damals amtie­ren­de Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn hat im März 2020 betont, die Pro­duk­ti­on von Arz­nei­mit­teln und Wirk­stof­fen wie­der zurück nach Euro­pa ver­la­gern zu wol­len – auch wenn das zu höhe­ren Kos­ten bei Gene­ri­ka füh­ren würde. 

Für eine sichere Arzneimittelversorgung in Europa

Jens Spahn

Ex-Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter

“Das kann bedeu­ten, dass wir wie­der auch mehr wer­den bezah­len müs­sen, etwa für Gene­ri­ka – nicht nur Cent-Beträ­ge. Aber ich den­ke, die Sicher­heit geht hier vor öko­no­mi­scher Effizienz.”

Die Not­wen­dig­keit von mehr Nach­hal­tig­keit in den Aus­schrei­bun­gen haben inzwi­schen auch vie­le Kran­ken­kas­sen erkannt, wie Dr. Andrè Bred­de­mann von der BAR­MER beim Pro Gene­ri­ka-Früh­lings­talk 2021 verkündete.

Dr. André Breddemann

BAR­MER

“Resi­li­enz muss zukünf­tig ver­stärkt in den Fokus unse­rer Beschaf­fungs­vor­gän­ge gerückt wer­den, Nach­hal­tig­keit zum Wett­be­werbs­vor­teil wer­den. Las­sen SIe uns Nach­hal­tig­keit als rele­van­ten Wett­be­werbs­fak­tor in die Beschaf­fung ein­flie­ßen lassen!”

Neue Wei­chen­stel­lung zu Beginn der Legislaturperiode

Was es fort­an in der Poli­tik braucht, ist ein neu­es Para­dig­ma für die gesund­heits­po­li­ti­sche Gesetz­ge­bung: Statt um immer noch grö­ße­re Effi­zi­enz, muss es uns fort­an um Ver­sor­gungs­si­cher­heit gehen. Dafür sind robus­te­re Lie­fer­ket­ten und eine stär­ke­re regio­na­le Diver­si­fi­zie­rung – auch durch eine Stär­kung der Pro­duk­ti­on in Euro­pa – unerlässlich. 

Für Gene­ri­ka, die Säu­le der Grund­ver­sor­gung, darf es kei­ne zusätz­li­chen gesetz­li­che Kos­ten­dämp­fungs­maß­nah­men mehr geben. Die Fol­gen für die Ver­sor­gung und damit für Patient:innen wären fatal. Jetzt kommt es auf Maß­nah­men an, die in die ent­ge­gen­ge­setz­te Rich­tung weisen.

Ziel müs­sen robus­te­re Lie­fer­ket­ten sein

Es muss dar­um gehen, die Lie­fer­ket­ten zu stär­ken und noch wider­stands­fä­hi­ger zu machen. Die­se sind oft 10.000 Kilo­me­ter lang und füh­ren über den gesam­ten Glo­bus zu uns. Denn: Die Roh­stof­fe für ein Gene­ri­kum stam­men meist aus dem Bin­nen­land Chi­nas. Wirk­stoff und Fer­tig­arz­nei­mit­tel wer­den wie­der­um in ver­schie­de­nen Fabri­ken Indi­ens pro­du­ziert. Dass kann zum Pro­blem wer­den — wie die­se Dar­stel­lung einer tyischen Lie­fer­ket­te zeigt. 

Von Chi­na nach Deutsch­land: So sieht die typi­sche Lie­fer­ket­te eines Gene­ri­kums aus

Was aber kann gesche­hen, damit Lie­fer­ket­ten wie­der sta­bi­ler wer­den? Dafür müss­ten Unter­neh­men ver­schie­de­ne Maß­nah­men ergrei­fen. Eine Mög­lich­keit ist, das sie eine zwei­te Wirk­stoff­quel­le unter Ver­trag hal­ten, wie Lie­fer­ket­ten-Exper­te Mar­tin Schwarz in die­sem Video erklärt. So kön­nen sie im Ernst­fall dar­auf zurück­grei­fen. Aber: Eine zwei­te Wir­stoff­quel­le bereit zu hal­ten, kos­tet Geld und das muss auch im Preis- und Erstat­tungs­sys­tem Berück­sich­ti­gung fin­den. Ande­ren­falls kön­nen der­ar­ti­ge Inves­ti­tio­nen nicht getä­tigt werden.

Dr. Mar­tin Schwarz (Lie­fer­ket­ten-Exper­te): War­um Unter­neh­men ihre Lie­fer­ket­ten nicht ein­fach sta­bi­ler machen

Es braucht neue Aus­schrei­bungs­mo­del­le mit den Kassen

Für die Zukunft ist es des­halb uner­läss­lich, dass die Aus­schrei­bungs­mo­del­le der Kran­ken­kas­sen ange­passt wer­den. Ein-Part­ner-Model­le mögen für die Kran­ken­kas­sen zwar güns­ti­ger sein. Sie füh­ren aber schnel­ler zu Engpässen.

Aus­schrei­bun­gen soll­ten des­halb grund­sätz­lich immer mit mehr als einem Unter­neh­men (also im „Mehr­part­ner­mo­dell“) geschlos­sen wer­den. Dann ist die Ver­sor­gung auf meh­re­re Schul­tern verteilt.

Rabatt­ver­trä­ge:

  • dür­fen des­halb nicht län­ger aus­schließ­lich den­je­ni­gen beloh­nen, der mög­lichst maxi­ma­le Rabat­te bie­tet, son­dern müs­sen zusätz­li­che Kri­te­ri­en (z.B. zwei­te Wirk­stoff­quel­le) einbeziehen.
  • Noch immer wird jeder drit­te Ver­trag von den Kran­ken­kas­sen so aus­ge­stal­tet, dass nur ein ein­zi­ges Unter­neh­men die Ver­si­cher­ten die­ser Kas­se ver­sor­gen muss — damit muss end­lich Schluss sein und Rabatt­ver­trä­ge gene­rell an mehr als ein Unter­neh­men ver­ge­ben wer­den, denn fällt der Her­stel­ler im Ver­lauf des Ver­tra­ges aus, kann so schnell meist kein ande­rer einspringen.
  • Umwelt­freund­li­che Pro­duk­ti­on ist gesell­schaft­lich mehr und mehr erwünscht – aber, wer es damit ernst meint, muss zusätz­li­che Inves­ti­tio­nen von Unter­neh­men in eine noch umwelt­freund­li­che­re Pro­duk­ti­on in Euro­pa oder anders­wo auch ver­gü­ten — auch in Rabatt­ver­trä­gen und zwar in Form ech­ter Boni.

Das Pro Gene­ri­ka-Posi­ti­ons­pa­pier fin­den Sie hier.

Auf einen Blick: Was Sie über Gene­ri­ka wis­sen sollten!

Gene­ri­ka stel­len den Groß­teil der Arzneimittelversorgung

Sie machen 78,8 Pro­zent der Arz­nei­mit­tel (nach Tages­the­ra­pie­do­sen) aus. Ihr Anteil an den Arz­nei­mit­tel­aus­ga­ben beträgt aber nur 8,4 Prozent.

Gene­ri­ka wer­den immer günstiger. 

Erhiel­ten die Her­stel­ler im Jahr 2010 noch 12 Cent für die Tages­the­ra­pie­do­sis eines Gene­ri­kums, sind es heu­te im Schnitt bloß noch 6 Cent.

Immer mehr Gene­ri­ka wer­den in Asi­en produziert. 

Zwei Drit­tel unse­rer Wirk­stof­fe kom­men aus nur weni­gen Pro­vin­zen Indi­ens und Chi­nas. Vor 20 Jah­ren war das noch umgekehrt.

Preis­drü­cker sind die Rabattverträge

90 Pro­zent der Tages­the­ra­pie­do­sen, die Gegen­stand einer Rabatt­ver­trags­ver­ein­ba­rung sind, sind Generika.