
Generika stellen die überwiegende Mehrheit der Arzneimittel, die in Deutschland täglich benötigt werden. Die Produktion der Wirkstoffe dieser Arzneimittel (APIs = active pharmaceutical ingredients) findet mehrheitlich nicht mehr in Europa statt.
Das ist das Ergebnis einer Studie, die die Unternehmensberatung MundiCare im Auftrag von Pro Generika erstellt hat. Sie zeigt erstmals auf Basis von Fakten: Europa hat seine einstige Spitzenposition eingebüßt.
Die für die Produktion der Wirkstoffe notwendigen Zulassungen (=CEPs, Certificate of Suitability of Monographs of the European Pharmacopoeia) werden jetzt zu rund zwei Dritteln in Asien gehalten, auch mehr als die Hälfte der Hersteller sitzt dort. Wichtig zu wissen: Ein Wirkstoff kann von verschiedenen Herstellern produziert werden. Es kann also mehrere CEPs verschiedener Hersteller für ein API geben.
Zulassungen
Prozent in Asien
Prozent in Europa
Dynamisches Wachstum und massive Verschiebungen im Markt in den vergangenen 20 Jahren: Im Gegensatz zum Jahr 2000 werden heute rund zwei Drittel der Wirkstoffzertifikate (CEPs) in Asien gehalten.

Hier werden mehr als 80 Prozent aller in Asien liegenden Wirkstoffzulassungen (CEPs) gehalten.
Nicht nur bei der Anzahl der CEPs, sondern auch bei der Anzahl der Hersteller, die über CEPs für die EU verfügen, zeigt sich eine deutliche Verschiebung in den einzelnen Weltregionen: Während im Jahr 2000 noch 132 von 248 Herstellern (rund 53 %) in Europa ansässig waren, sind es 2020 nur noch 236 von 717 (rund 33 %)

Die Detailanalyse der Daten belegt außerdem, dass die Produktion nicht nur regional konzentriert, sondern für viele Wirkstoffe (APIs) auch auf wenige Hersteller beschränkt ist.

Für mehr als die Hälfte der APIs sind nur fünf oder weniger Zertifikate in der EDQM-Datenbank aufgeführt. Das heißt, dass für einen Großteil der in Europa benötigten Wirkstoffe nur je rund eine Handvoll Hersteller weltweit überhaupt ein Wirkstoffzertifikat besitzt.
Diese beziehen sich auf die Wirkstoffproduktion und bergen erhebliche Risiken für die Arzneimittelversorgung:
Eine exemplarische Detailanalyse hat außerdem gezeigt, dass gerade die besonders häufig benötigten Wirkstoffe vornehmlich aus Asien kommen. Dr. Andreas Meiser, Autor der Studie und Geschäftsführer bei MundiCare, fasst die Ergebnisse wie folgt zusammen: „Unsere Studie liefert zum ersten Mal eine faktenbasierte Übersicht darüber, wo die in Europa benötigten Wirkstoffe herkommen. Sie zeigt auf, warum Europa seine dominante Stellung bei der Herstellung der Wirkstoffe eingebüßt hat. Und sie macht deutlich, dass die europäische Versorgung in hohem Maße abhängig ist – von nur wenigen Wirkstoffherstellern in sehr kleinen Teilen der Welt. Das birgt Risiken für die Versorgung mit Arzneimitteln.“
Neben den Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte zeigt die Studie aber auch Potenziale. Denn: Ein Teil der Wirkstoffproduktion – derzeit rund 30 Prozent – befindet sich weiterhin in Europa.
Eine Detailanalyse des europäischen Bedarfes von 21 exemplarischen Wirkstoffen zeigt, dass heute vor allem APIs mit vergleichsweise niedrigem Produktionsvolumen und/oder einem komplexen Verfahren in Europa hergestellt werden. Beispiele dafür sind Tamoxifen – ein Wirkstoff, der bei der Therapie von Brustkrebs eingesetzt wird – oder Formoterol, ein Wirkstoff zur Therapie von Asthma bronchiale und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) ist. Großvolumige APIs stammen eher aus Asien. Wenn das für die Wirkstoffproduktion notwendige Knowhow in Europa erhalten bleiben soll, ist konsequentes Handeln gefragt.
Eine Analyse der einzelnen Wirkstoffe zeigt: Je später ein Wirkstoff in den vergangenen 20 Jahren aus dem Patent lief, desto früher begann die Verlagerung in den außereuropäischen Raum. Bork Bretthauer, Geschäftsführer von Pro Generika, betont die Potenziale, die die Studie aufzeigt: „Die Studie enthält auch eine eindeutig positive Nachricht, denn sie zeigt uns, dass in Europa noch Wirkstoffe hergestellt werden und zwar in nennenswertem Ausmaß. Der Politik sollte es nunmehr darum gehen, die (noch) vorhandene Produktion von Wirkstoffen und Arzneimitteln zu stärken und weitere Abwanderungsbewegungen zu stoppen. Das tut sie am besten, indem sie die Rahmenbedingungen ändert, die überhaupt erst zur Verlagerung nach Asien geführt haben. Das heißt konkret: Sie muss endlich den extremen Kostendruck auf die Grundversorgung beseitigen und damit wieder Freiräume für mehr Resilienz in den Lieferketten schaffen.“
Die Pro Generika-Wirkstoffstudie hat untersucht, wo auf der Welt die Herstellungsstätten von rund 560 Wirkstoffen stehen, die in Deutschland in der Versorgung sind. Zudem hat die Studie 21 wichtige Wirkstoffe bestimmt und für diese ermittelt, in welchem Umfang ihr europäischer Bedarf auch in Europa hergestellt werden könnte. Als Anhaltspunkt für die Analyse hat sie die sogenannten CEPs („Certificate of Suitability of Monographs of the European Pharmacopoeia”) als die wichtigste Form der Wirkstoffzulassungen, gewählt. Diese bescheinigen einem Hersteller die Fähigkeit, einen Wirkstoff in der geforderten Qualität produzieren zu können. Die CEPs werden in der öffentlichen Datenbank des „European Directorate for the Quality of Medicines and Healthcare“ (EDQM) erfasst. In der Studie untersucht wurden generische Wirkstoffe (APIs, active pharmaceutical ingredients), für die zum Stichtag 30.4.2020 mindestens ein CEP in der EDQM-Datenbank vorhanden war. Die Studie wurde von MundiCare Life Science Strategies im Auftrag von Pro Generika e.V. durchgeführt. Sie trägt den Namen „Woher kommen unsere Wirkstoffe? Eine Weltkarte der API-Produktion“.
Download: Lange Version - Englisch / Kurze Version - Englisch
Hier können Sie sich die gesamte Wirkstoff-Studie herunterladen.

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