Seit Wochen versetzt die US-Regierung mit ihren Ankündigungen verschiedener Zölle die Welt in Aufregung. Auch Generika könnten dabei besonders unter Druck geraten: Ihre komplexen Lieferketten, niedrigen Margen und die
geopolitische Abhängigkeit von China machen sie anfällig für wirtschaftspolitische Spannungen. Eine Eskalation könnte auch Folgen für die Generika-Versorgung in Europa haben. Wir haben die wichtigsten Fragen zum Thema beantwortet.
Sind Generika derzeit von US-Zöllen betroffen?
Derzeit sind Generika aus der EU nur indirekt betroffen, da fertige Arzneimittel und Wirkstoffe (APIs), die unter „Annex II“ des Zollabkommens gelistet sind, weiterhin von US-Zöllen ausgenommen sind. Nicht abgedeckt sind hingegen Hilfsstoffe und Verpackungen. Auch eine mögliche Neuinterpretation dieser Regeln ist denkbar: Die USA prüfen aktuell im Rahmen einer sogenannten „Section 232“-Untersuchung die Einführung zusätzlicher Zölle auf Arzneimittel aus Gründen der nationalen Sicherheit.
Zwar gibt es aktuell eine 90-tägige Pause für reziproke Zölle gegenüber der EU, doch ein zusätzlicher Einfuhrzoll von 10 % gilt weiterhin. Für Importe aus China liegt der Zollsatz bereits bei 125 % (Stand: 14.4.25). Für pharmazeutische Erzeugnisse, die aus China in die USA eingeführt werden, werdeb seit Anfang März Zölle von 20 % erhoben.
Bei Importen in die USA spielt der Ursprung des Wirkstoffs eine zentrale Rolle: Enthält ein aus der EU exportiertes Fertigarzneimittel einen Wirkstoff chinesischer Herkunft, kann es als chinesisch eingestuft werden und unterliegt somit dem China-Zoll von 20 Prozent.
Diese Entwicklungen belasten insbesondere die Generikahersteller, die mit sehr niedrigen Margen und hochgradig vernetzten Lieferketten operieren. Ein solcher regulatorischer Eingriff würde Kosten erhöhen, die Versorgungssicherheit gefährden – und auch die transatlantische Kooperation untergraben, die sich etwa während der COVID-19-Krise als lebenswichtig erwiesen hat.
Wie würden US-Zölle auf Medikamente die Generika- und Biosimilar-Branche in Deutschland treffen?
Die von den USA geplanten Zölle auf pharmazeutische Produkte und Wirkstoffe würden einige Generika- und Biosimilar-Hersteller erheblich treffen – insbesondere jene, die keine eigenen Werke in den USA haben, aber von hier aus exportieren. Die zusätzlichen Kosten könnten ihre Wettbewerbsfähigkeit im US-Markt deutlich schwächen.
Da Zölle im Zweifel Mehrkosten bedeuten und die Branche ohnehin mit geringen Margen arbeitet, wären Rückzüge aus dem US-Markt eine denkbare Folge. Dies würde nicht nur Umsatzeinbußen bedeuten, sondern auch langfristig die globale Position der europäischen Unternehmen gefährden.
Zudem besteht die Gefahr, dass chinesische Hersteller mit ihren Wirkstoffen als Reaktion verstärkt den europäischen Markt ins Visier nehmen. Bis hier Auswirkungen zu spüren wären, würden zwar Monate vergehen: Es würde aber das politische Ziel, die Pharmaproduktion in Europa zu stärken, konterkarieren – und unsere Abhängigkeit weiter erhöhen.
Wie viele Arzneimittel werden derzeit in die USA exportiert?
Für die deutsche Pharmabranche sind die USA das wichtigste Exportland. 2024 gingen laut dem Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa) Waren im Wert von 27 Milliarden Euro und damit knapp ein Viertel (23,6 Prozent) der deutschen Pharmaexporte in die USA. Umgekehrt habe Deutschland Pharmazeutika im Wert von 12,2 Milliarden Euro (17 Prozent) aus den USA importiert sowie gut zwölf Prozent der Vorprodukte, etwa Grundstoffe und Chemikalien.
Die Ausfuhren von Pharmazeutischen Erzeugnissen aus Deutschland belaufen sich für das Jahr 2024 auf insgesamt 114,6 Mrd. Euro. Davon entfallen 27,0 Mrd. auf die USA (23,6%). Dem stehen Einfuhren von insgesamt 71,8 Mrd. Euro entgegen. 12,2 Mrd. davon stammen aus den USA.
Mit Blick auf Generika haben diese Zahlen allerdings nur wenig Aussagekraft, denn: Generika werden in großen Volumina mit niedrigem Wert gehandelt.
Muss man damit rechnen, dass Zölle auf Arzneimittel kommen?
Leider ja. Denn eine Einführung von Zöllen auf Arzneimittel ist nicht ausgeschlossen. Die laufende Untersuchung gemäß Abschnitt 232 des Trade Expansion Act der US-Regierung könnte als Grundlage für solche Maßnahmen dienen. Zwar sind transparente Verfahren mit Kommentierungsphasen vorgesehen, doch kann die Administration dieses Verfahren auch vertraulich führen und beschleunigen.
Bis dahin liegt das Kernproblem in der großen Unsicherheit für die Unternehmen. Denn: Das Handeln der US-Regierung ist nicht vorhersehbar und dies beraubt Unternehmen jeglicher Planungsgrundlage.
Sollte es tatsächlich zu Zöllen kommen, wäre auch der Generika-Sektor betroffen. Die EU und die USA haben in der Vergangenheit eng kooperiert, um Lieferengpässe gemeinsam zu bewältigen – etwa bei COVID-19 oder bei Engpässen bei intravenösen Arzneimitteln. Neue Zölle könnten diese Zusammenarbeit belasten und eine Gegenreaktion der EU auslösen, was die globale Versorgungslage verschärfen würde.
Inwiefern könnten die Zölle auf chinesische Waren die Generika-Versorgung in Europa treffen?
Die Generika-Versorgung in Deutschland ist bereits heute stark von China abhängig – vor allem bei Wirkstoffen und Ausgangsmaterialien. Diese Abhängigkeit ist das Resultat eines jahrzehntelangen Fokus auf niedrige Preise bei Arzneimitteln sowie strategischer Industriepolitik seitens China.
Als Reaktion auf die US-Zölle auf chinesische Produkte könnte China künftig versuchen, überschüssige Produktionskapazitäten verstärkt nach Europa zu exportieren, was unsere Abhängigkeit weiter verschärfen würde. Zugleich besteht die Gefahr, dass China seine marktbeherrschende Stellung strategisch ausnutzt – analog zum russischen Gas in der Energiekrise.
Deutschland muss daraus Konsequenzen ziehen. Die Bundesregierung ist gefragt, endlich eine resiliente Strategie zur Arzneimittel-Grundversorgung zu entwickeln – eine, die wirtschafts- und sicherheitspolitische Interessen genauso berücksichtigt wie den Gesundheitssektor. Das deutsche Gesundheitssystem darf künftig nicht länger Unternehmen belohnen, die alle anderen unterbieten, sondern die, die in resiliente Lieferketten investieren. Der aktuelle „Hauptsache billig“-Ansatz darf in Zeiten globaler Unsicherheiten kein Maßstab mehr sein.
Welche Auswirkungen auf die Versorgung in den USA sind zu erwarten?
Die Konsequenzen für die Versorgung in den USA dürften massiv sein. 90 % aller Medikamente in den USA sind Generika. Vor allem sind Generika in den USA für sozial schwache Patientinnen und Patienten von enormer Bedeutung, weil sie diesen – angesichts der sehr hohen Preise patentgeschützter Arzneimittel in den USA – überhaupt erst Zugang zur Arzneimittelversorgung ermöglichen.
Bei vielen wichtigen Arzneimitteln ist das Land auf Importe angewiesen – vor allem aus der EU, China und Indien. Insbesondere die Abhängigkeit von China ist für die USA wie für Europa gleichermaßen ein großes Problem. Der Aufbau eigener Fabriken in den USA wäre auf viele Jahre nicht profitabel, selbst wenn diese durch Zölle geschützt wären. In der Folge sind Preissteigerungen und Lieferengpässe zu befürchten – mit gravierenden Folgen für Patientinnen und Patienten sowie für das ohnehin belastete Gesundheitssystem.
Fazit:
Medikamente sollten niemals in Handelskriegen zur Waffe werden. Das eigenmächtige Durchsetzen nationaler Interessen darf nicht zu Lasten von Patientinnen und Patienten gehen.
Zölle auf Arzneimittel würden diese verteuern und die Versorgung mit wichtigen Medikamenten verschlechtern. Angesichts ohnehin grassierender Gesundheitskosten in den USA wäre das Gift für die amerikanischen Patienten und Krankenversicherungen. Für europäische Hersteller, die ohnehin mit schwierigen Marktbedingungen zu kämpfen haben, wäre der Wegfall des US-Geschäfts ein gravierender Einschnitt.
Hinzu kommt, dass die EU wohl zu Gegenmaßnahmen gezwungen wäre – mit dem Ergebnis, dass am Ende alles für alle teurer und die Versorgung fragiler wird.
Stand: 16.4.2025