Warum der Referententwurf des ALBVVG überarbeitet werden muss
Der Entwurf des Gesetzes zur „Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln” (ALBVVG) soll erstmals dem extremen Kostendruck auf die Generikaversorgung entgegenwirken. Dieser ist eine wesentliche Ursache für das vermehrte Auftreten von Lieferengpässen bei Arzneimitteln. Grundsätzlich begrüßt Pro Generika diese Zielrichtung. Gleichzeitig ist festzustellen, dass das Ziel, Engpässe im Generikamarkt zu vermeiden, mit der Fokussierung auf einzelne Arzneimittelgruppen nicht erreicht wird.
Überfällig: Das Gesetz enthält Maßnahmen gegen den Kostendruck
- Von nun an soll es in – einigen wenigen - Rabattverträgen nicht mehr ausschließlich um das wirtschaftlichste Gebot, sondern auch um eine Diversifizierung von Produktion und Lieferketten gehen.
- Für Kinderarzneimittel soll es keine Rabattverträge und keine Eingruppierungen in Festbeträge mehr geben dürfen.
- In einigen Fällen soll ein Inflationsausgleich erfolgen.
- Es soll künftig möglichst frühzeitig um eine engere Beobachtung von Marktverengungen verbunden mit einem steigenden Risiko von Engpässen gehen.
- Um den extremen Kostendruck etwas abmildern zu können, sollen Zuzahlungsbefreiungsgrenzen bereits dann greifen, wenn Unternehmen ihre Preise auf 20 % (statt bislang 30 %) unter den Festbetrag absenken.
Zu wenig: Im Fokus sind lediglich 1,1 Prozent der Arzneimittel
Dem Gesetzesentwurf liegt eine richtige Idee zugrunde, diese Idee wird aber nicht konsequent und nicht umfassend verfolgt.
- Der Entwurf nimmt ausschließlich zwei Arzneimittelgruppen (Onkologika und Antibiotika) in den Blick sowie Kinderarzneimittel.
- Engpässe aber gab/gibt es in vielen anderen Bereichen des Generikamarkts
Nicht konsequent: Tamoxifen-Versorgung wird nicht verbessert
Auch bei den Onkologika geht das Gesetz nicht weit genug: Einen Engpass wie den bei Tamoxifen hätte der Referentenentwurf nicht verhindern können.
- Rabattverträge, Festbeträge und die 4G-Regel hätten z. B. weitergegolten.
- Preiserhöhungen, die die Produktion hätten wirtschaftlich machen sollen, wären somit de facto nicht – wie beabsichtigt – beim Unternehmen angekommen.
Zu spät: Gegensteuern bei Engpässen erst ab 2026 möglich
Zwar soll das Bundesinstitut für Arzenimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen Mechanismus definieren, mit dem besonders versorgungsrelevante/versorgungskritische Arzneimittel besser beobachtet werden können. Allerdings sind die Maßnahmen, die zur Entlastung der Hersteller ergriffen werden können, nicht ausreichend. Denn:
- das BfArM soll ausschließlich Festbetragserhöhungen empfehlen können. Damit dürfen Festbeträge zwar um 50 % steigen – alle anderen Kostendämpfungsinstrumente aber sollen scharf gestellt bleiben und würden weiterhin verhindern, dass Unternehmen wirtschaftlich produzieren können.
- mit der Erhöhung des Festbetrags gälte für viele der vom BfArM empfohlenen Arzneimittel wieder der Herstellerrabatt gemäß § 130b Abs. 3b S. 1 („Generikarabatt“), der den Preis um bis zu 10 Prozent reduzierten könnte. Dies ist ein Beispiel für die verschiedentlichen Interdependenzen von Preisregulierungsmechanismen, die – wenn auch vielleicht unbeabsichtigt – dafür sorgen. dass intendierte Erleichterungen bei den Herstellern nicht ankommen.
- Die Regelung, mit der das BfArM anregen könnte, dass neben Antibiotika und Onkologika weitere besonders versorgungsrelevante Arzneimittel diversifiziert ausgeschrieben werden sollen, tritt überhaupt erst Ende 2026 in Kraft.
- Ein Inflationsausgleich ist ausschließlich für Kinderarzneimittel und für künftig vom BfArM als engpassbedroht eingeordnete Arzneimittel und unter Preismoratorium vorgesehen — nicht aber für Festbeträge und Rabattverträge.
Dringend geboten: Änderungen am Referentenentwurf
Ergänzt werden muss daher:
- Die Vorgaben für die Diversifizierung von Lieferketten müssen für alle Rabattverträge (auch die nach § 130 a Abs. 8a (zukünftig 8b), zumal es hier um Onkologika geht) und im gesamten Generikamarkt gelten und es muss eine „muss“-Vorschrift sein, da sie anderenfalls ihre beabsichtigte Wirkung verfehlen wird.
- Bei durch dieses Gesetz oder durch das BfArM-Prozedere identifizierten, versorgungskritischen und engpassgefährdeten Arzneimitteln darf es nicht nur darum gehen, allein Festbeträge um 50 % anzuheben und möglicherweise und sehr verzögert Rabattverträge zu diversifizieren. Diese Arzneimittel müssen umfassend von preissenkenden Maßnahmen ausgenommen werden – und zwar für eine Dauer von 5 Jahren, da Generikaunternehmen anderenfalls keine hinreichende Planungssicherheit für dringend notwendige Investitionen in Produktionserhalt und ‑erweiterungen haben.
- Das BfArM-Monitoring, dasdas Diversifizieren von Rabattverträgen für ausgesuchte Einzelwirkstoffe ermöglicht, darf nicht erst ab Ende 2026 greifen.
- Es braucht eine Überarbeitung des Festbetragssystems, um das systembedingte immer weitere Absenken von Festbeträgen und die damit einhergehenden Risiken für die Versorgungssicherheit auch für die Zukunft zu vermeiden.
- Es braucht einen kurzfristig wirksamen Inflationsausgleich für alle Generika in Rabattverträgen und bei den Festbeträgen, um die enormen Kostensteigerungen in den Lieferketten wenigstens teilweise abzufangen.
- Es braucht eine Aufhebung der gesetzlichen Vorgabe der Substitution von Biologika in der Apotheke, die den Krankenkassen ebenfalls den Weg zu exklusiven Ausschreibungen ebnen soll.
- Nachdem nun erkannt wird, dass der extreme Kostendruck eine wesentliche Ursache für Engpässe ist, würde dieser anderenfalls ausgerechnet auf den versorgungssensiblen Bereich der Biologika ausgeweitet.
Hier finden Sie die Pro Generika-Stellungnahme zum Referentenentwurf des ALBVVG.


Während immer mehr Generika verordnet werden, sinkt ihr Anteil an den Kosten. Das steigert das Risiko für Lieferengpässe.