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Eng­päs­se ohne Ende: War­um jetzt auch Anti­bio­ti­ka knapp sind

Seit Mona­ten wer­den immer wie­der Anti­bio­ti­ka knapp. Sie feh­len im Kampf gegen Infek­tio­nen, sie feh­len in Kran­ken­häu­sern und sie feh­len bei der Behand­lung von Kindern.

Was die Her­stel­ler gegen die Eng­päs­se bei Arz­nei­mit­teln tun, was jetzt gesche­hen muss und wann mit einer Ent­span­nung der Lage zu rech­nen ist, lesen Sier hier.

Die wich­tigs­ten Fra­gen und Ant­wor­ten zur aktu­el­len Arzneimittel-Knappheit

War­um kommt es gera­de jetzt zu Eng­päs­sen bei Antibiotika?

Die star­ke Infek­ti­ons­wel­le im ver­gan­ge­nen Win­ter mit einem mas­siv ver­stärk­ten Auf­kom­men von vira­len Infek­tio­nen und Bak­te­ri­en­in­fek­tio­nen der Atem­we­ge hat die Ver­sor­gung mit den betref­fen­den Arz­nei­mit­teln schwer stra­pa­ziert. Für ein­zel­ne Arz­nei­mit­tel war die Nach­fra­ge in einem Quar­tal so hoch wie vor der Pan­de­mie in einem gan­zen Jahr. Auch im 1. Quar­tal 2023 ver­zeich­ne­ten die Her­stel­ler noch eine deut­li­che höhe­re Nach­fra­ge, als es etwa vor der Coro­na-Pan­de­mie der Fall war. Das und die in ande­ren euro­päi­schen Län­dern eben­falls gestie­ge­ne Nach­fra­ge füh­ren dazu, dass es der­zeit bei den Unter­neh­men und in den Han­dels­ka­nä­len kei­ner­lei Waren­be­standspuf­fer gibt und die Pro­duk­ti­ons­ka­pa­zi­tä­ten auch nicht aus­rei­chen, um die­se Bestän­de wie­der aufzufüllen.

Waren die Eng­päs­se absehbar?

Ja. Pro Gene­ri­ka hat die Poli­tik schon lan­ge auf mög­li­che Gefah­ren für die Ver­sor­gungs­si­cher­heit auf­merk­sam gemacht. Seit Jah­ren weist der Ver­band auf die deso­la­te Lage der Anti­bio­ti­ka-Pro­duk­ti­on in Deutsch­land und die gro­ße Abhän­gig­keit von Asi­en hin. Der jahr­zehn­te­lan­ge Kos­ten­druck beson­ders auf Anti­bio­ti­ka etwa für Kin­der hat zu Abwan­de­rung, Ero­si­on und einer teils dra­ma­ti­schen Kon­zen­tra­ti­on der Anbie­ter geführt.

So konn­ten die Her­stel­ler ange­sichts dau­er­haft nied­ri­ger Mar­gen (für eine Packung Peni­cil­lin V mit 10 Tablet­ten erhält ein Her­stel­ler weni­ger als 76 Cent) kei­ne grö­ße­ren Inves­ti­tio­nen in die­sem Bereich täti­gen und wur­den von staat­li­cher Sei­te auch nicht unter­stützt. Hin­zu kommt, dass die Nach­wir­kun­gen der Pan­de­mie sowie der rus­si­sche Krieg gegen die Ukrai­ne die Lie­fer­ket­ten nach wie vor stres­sen und Ver­brauchs­ma­te­ria­li­en, Pack­mit­tel oder Roh­stof­fe wei­ter­hin knapp sind.

Dazu sagt Bork Brett­hau­er, Geschäfts­füh­rer von Pro Generika:

„Die Knapp­heit bei Anti­bio­ti­ka und bei Kin­der­arz­nei­mit­teln offen­bart ein Pro­blem, das sich seit Jah­ren zuspitzt. Sie kamen mit Ansa­ge und auch des­we­gen, weil die Poli­tik bis­lang nicht reagiert hat.

Die Pro­duk­ti­on von Anti­bio­ti­ka ist anspruchs­voll, das Erstat­tungs­ni­veau seit vie­len Jah­ren lächer­lich nied­rig. Her­stel­ler erhal­ten oft nur ein paar Cent pro Tages­the­ra­pie­do­sis. In der Ver­gan­gen­heit haben sich vie­le Her­stel­ler aus der Ver­sor­gung zurück­ge­zo­gen – ein­fach, weil die Pro­duk­ti­on für sie nicht mehr wirt­schaft­lich ist.

Jetzt kommt eine extrem hohe Nach­fra­ge dazu, die einer Wel­le von bak­te­ri­el­len Infek­tio­nen geschul­det ist. Die­se war für die Unter­neh­men nicht plan­bar und Her­stel­ler ver­su­chen der­zeit nach Kräf­ten sie zu bedie­nen, aber sie kom­men nicht hin­ter­her. Zumal es eben nicht mehr vie­le gibt, die über­haupt noch Anti­bio­ti­ka her­stel­len. Pro­duk­ti­ons­er­wei­te­run­gen oder gar der Auf­bau von Pro­duk­ti­ons­an­la­gen benö­ti­gen im Nor­mal­fall Jah­re. Maschi­nen und Anla­gen müs­sen erwor­ben und auf­ge­baut wer­den, Mitarbeiter:innen müs­sen gewon­nen wer­den und zahl­rei­che behörd­li­che Geneh­mi­gun­gen müs­sen vor­lie­gen, bevor die Pro­duk­ti­on über­haupt anlau­fen kann.

Was tun die Her­stel­ler, um die Nach­fra­ge zu bedienen?

Die Her­stel­ler ver­su­chen seit Mona­ten nach Kräf­ten die Bestel­lun­gen abzu­ar­bei­ten und wo immer mög­lich, die Pro­duk­ti­on hoch­zu­fah­ren. Dabei sto­ßen sie an ihre Gren­zen, zumal es bei eini­gen Wirk­stof­fen bloß noch einen ein­zi­gen Anbie­ter gibt und die­ser allein die Nach­fra­ge nicht bedie­nen kann. Zudem sind die Lie­fer­ket­ten für Roh­stof­fe und Ver­brauchs­ma­te­ria­li­en teil­wei­se wei­ter fragil.

Inwie­fern ver­schär­fen die gestie­ge­nen Ener­gie­prei­se das Problem?

Die Pro­duk­ti­on von Anti­bio­ti­ka (ins­be­son­de­re die Fer­men­ta­ti­on) ist sehr roh­stoff- und ener­gie­in­ten­siv und hat sich – bei gleich­blei­bend nied­ri­gen Erstat­tungs­prei­sen – stark ver­teu­ert. So hat etwa die San­doz-Pro­duk­ti­ons­stät­te in Kundl (Öster­reich) einen Strom­ver­brauch, der dem der Stadt Inns­bruck ent­spricht, und war zwi­schen­zeit­lich mit um das Zehn­fa­che gestie­ge­nen Ener­gie­kos­ten kon­fron­tiert. Die­se Belas­tung ver­grö­ßert der­zeit den Wett­be­werbs­vor­teil von Län­dern wie Chi­na, wo Her­stel­ler bil­li­ge­re und z.T. sub­ven­tio­nier­te Ener­gie nut­zen kön­nen, um ein Vielfaches.

Wird das Lie­fer­eng­pass-Gesetz ALBVVG die Situa­ti­on bei den Anti­bio­ti­ka entspannen?

Kurz­fris­tig nicht. Dazu sagt Bork Brett­hau­er, Geschäfts­füh­rer von Pro Generika:

„Es muss jetzt vor allem dar­um gehen, die Pati­en­ten best­mög­lich zu ver­sor­gen. Das ALBVVG legt fest, dass bei Aus­schrei­bun­gen ein Teil der Anti­bio­ti­ka-Wirk­stof­fe fort­an aus einer euro­päi­schen Quel­le kom­men soll. Das ist der Ver­such, Lie­fer­ket­ten zu diver­si­fi­zie­ren und Abhän­gig­kei­ten von Asi­en zu redu­zie­ren – vor­aus­ge­setzt, es gibt über­haupt noch einen euro­päi­schen Her­stel­ler für den Wirkstoff.

Es bleibt aber das struk­tu­rel­le Pro­blem, dass Her­stel­ler sich zurück­zie­hen, wenn die Pro­duk­ti­on für sie wirt­schaft­lich nicht mehr dar­stell­bar ist. Und das ALBVVG sieht weder Maß­nah­men zur Ent­las­tung der Her­stel­ler vor, noch setzt es gesamt­haft hin­rei­chend Anrei­ze, dass wie­der mehr Her­stel­ler in die Pro­duk­ti­on in Euro­pa einsteigen.“

Zwar gehe das ALBVVG mit Blick auf Anti­bio­ti­ka für Kin­der einen ers­ten Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung, in dem es Fest­be­trä­ge auf­lö­se und Rabatt­ver­trä­ge ver­bie­te. Den­noch sei frag­lich, ob die­se Maß­nah­men aus­rei­chen wer­den, um struk­tu­rel­le Markt­ver­än­de­run­gen zu erzielen.

- Denn der Gesetz­ge­ber ent­las­tet die Her­stel­ler, die unter höhe­ren Kos­ten lei­den und gleich­zei­tig ihre eige­nen Prei­se nicht erhö­hen kön­nen, aktu­ell nicht

- Das ALBVVG legt für Kin­der­arz­nei­mit­tel eine Preis­er­hö­hung um bis zu 50 Pro­zent fest. Das aber wird in vie­len Fäl­len kei­nen öko­no­misch aus­rei­chen­den Spiel­raum schaf­fen, den es bräuch­te, um wei­te­re Unter­neh­men zur Pro­duk­ti­on zu ani­mie­ren. Bei vie­len Kin­der­arz­nei­mit­tel erlaubt der neue Preis gera­de ein­mal eine kos­ten­de­cken­de Produktion.

- Zudem kom­men die z.T. gewähr­ten Preis­er­hö­hungs­op­tio­nen nicht voll bei den Her­stel­lern an, da der Gesetz­ge­ber es ver­passt, auch Her­stel­ler- und Gene­ri­ka­ra­bat­te für die­se Arz­nei­mit­tel abzuschalten

Was muss gesche­hen, damit sich das Pro­blem der Anti­bio­ti­ka-Eng­päs­se entschärft?

Damit Unter­neh­men das Risi­ko auf sich neh­men kön­nen, Pro­duk­ti­ons­an­la­gen auf­wen­dig zu erwei­tern, brau­chen sie Anrei­ze. Anrei­ze, die das ALBVVG aus­schließ­lich für Anti­bio­ti­ka ein­füh­ren will – und selbst dort rei­chen die­se nicht aus.
Für eng­pass­be­droh­te Arz­nei­mit­tel, bei denen es vor allem wegen des extre­men Kos­ten­drucks zu Eng­päs­sen kommt, weil Unter­neh­men sich aus der Pro­duk­ti­on zurück­zie­hen muss­ten, brau­chen wir sta­bi­le und bere­chen­ba­re Rah­men­be­din­gun­gen.
Kon­kret muss es bei eng­pass­ge­fähr­de­ten Arz­nei­mit­teln einen auf fünf Jah­re befris­te­ten Ver­zicht auf Fest­be­trä­ge und Rabatt­er­trä­ge geben, so dass Unter­neh­men ver­läss­lich in den Aus­bau von Pro­duk­ti­on inves­tie­ren kön­nen. Außer­dem müs­sen die Rabatt­ver­trä­ge aller Gene­ri­ka Diver­si­fi­zie­rungs­kri­te­ri­en ent­hal­ten. Die­se fin­den sich bis­land nur bei Anti­bio­ti­ka. Ver­sor­gungs­si­cher­heit muss Vor­rang haben vor dem Wunsch von Kran­ken­kas­sen nach immer noch höhe­ren Rabatten.

Wann wird sich die Lage entspannen?

Eine sai­son­be­ding­te Ent­span­nung der Lage dürf­te sich erst in den kom­men­den Wochen/Monaten auch mit wär­me­ren Tem­pe­ra­tu­ren ein­stel­len.

Wel­che Kon­se­quenz hat der Kos­ten­druck auf Generika?

Die aktu­el­len Eng­päs­se sind Fol­ge eines jah­re­lan­gen Drucks auf Prei­se und Her­stell­kos­ten bei Gene­ri­ka. Seit Jah­ren stem­men Gene­ri­ka­her­stel­ler einen ste­tig wach­sen­den Anteil an der Ver­sor­gung – zu einem schrump­fen­den Anteil der Kos­ten. Für knapp 80 Pro­zent der Ver­sor­gung erhal­ten sie bloß noch sie­ben Pro­zent der Sum­me, die die gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen für Arz­nei­mit­tel ausgeben.


Das hat zu star­ken Kon­zen­tra­ti­ons­ef­fek­ten auf meh­re­ren Ebe­nen geführt.

  • ABHÄN­GIG­KEIT VON ASIA­TI­SCHEN ZULIE­FE­RERN: Zum einen ist durch die Abwan­de­rung der Pro­duk­ti­on eine mas­si­ve Abhän­gig­keit von Asi­en ent­stan­den. Rund zwei Drit­tel der hier­zu­lan­de benö­tig­ten Arz­nei­mit­tel­wirk­stof­fe bezie­hen wir aus Län­dern wie Chi­na und Indi­en. Die­ses Klum­pen­ri­si­ko könn­te – z.B. mit Blick auf geo­po­li­ti­sche Ent­wick­lun­gen – ein Pro­blem für unse­re Arz­nei­mit­tel­ver­sor­gung werden.
  • MARKT­KON­ZEN­TRA­TI­ON: Zum ande­ren sind immer mehr Her­stel­ler auf allen Ebe­nen der Lie­fer­ket­te aus der Ver­sor­gung aus­ge­stie­gen, weil die Pro­duk­ti­on für sie zu den Prei­sen, die ihnen die Kran­ken­kas­sen erstat­ten, wirt­schaft­lich nicht mehr dar­stell­bar war.

Die Fol­ge ist ein Rück­gang der Her­stel­ler­zahl, der dra­ma­ti­sche Fol­gen haben kann. Denn fällt ein Her­stel­ler aus, wer­den die weni­gen Ver­blie­be­nen meist im Nu leer­ge­kauft und kön­nen die aus­ge­fal­le­ne Pro­duk­ti­on nicht kom­pen­sie­ren. Das ist zuletzt gesche­hen bei Fie­ber­saft mit dem Wirk­stoff Par­acet­amol und war auch mit­ur­säch­lich für die Knapp­heit des Fie­ber­saf­tes mit dem Wirk­stoff Ibuprofen.

Bork Brett­hau­er

Geschäfts­füh­rer

Immer mehr Her­stel­ler müs­sen aus der Ver­sor­gung aus­stei­gen, weil die Pro­duk­ti­on zum Ver­lust­ge­schäft wird. Eng­päs­se sind die Fol­ge. Es braucht jetzt Anrei­ze, damit wie­der mehr Unter­neh­men ein­stei­gen. Dafür müs­sen wir Schluss machen mit dem Kos­ten­druck auf Gene­ri­ka — vor allem bei kri­ti­schen Arzneimitteln.

Wel­che Wirk­stof­fe und Arz­nei­mit­tel sind der­zeit oft nicht lieferbar?

Lie­fer­eng­päs­se kom­men in allen Arz­nei­mit­tel­be­rei­chen vor. In letz­ter Zeit aber sind vor allem Krebs­mit­tel, Anti­bio­ti­ka, Blut­druck­sen­ker und Kin­der­arz­nei­mit­tel knapp gewor­den. So gab es Anfang des Jah­res Pro­ble­me, Brust­krebs­pa­ti­en­tin­nen mit Tam­oxi­fen zu ver­sor­gen. Jüngst wur­de Amoxi­cil­lin, das etwa Kin­der bei Lun­gen- oder Mit­tel­ohr­ent­zün­dun­gen ver­schrie­ben bekom­men, knapp. Und es gibt seit Mona­ten immer wie­der Schwie­rig­kei­ten mit der Ver­füg­bar­keit von Fie­ber­säf­ten für Kin­der. Die Lis­te mit den gemel­de­ten Lie­fer­eng­päs­sen führt das Bun­des­amt für Arz­nei­mit­tel und Medi­zin­pro­duk­te (BfArM).

War­um kommt es zu Lie­fer­eng­päs­sen bei Fie­ber­saft für Kinder?

Der­zeit gibt es eine mas­siv gestie­ge­ne und für Unter­neh­men nicht plan­ba­re Nach­fra­ge nach Fie­ber­säf­ten. Die Anzahl der Bestel­lun­gen bei den Unter­neh­men ist seit dem Som­mer bis zu acht­mal so hoch wie sonst in die­sen Monaten.

Die Lage wird ver­schärft durch Eng­päs­se bei der Beschaf­fung von Mate­ri­al. Mal ist Glas für die Fla­schen knapp, dann fehlt die Kar­to­na­ge für die Ver­pa­ckung. Meh­re­re Wochen gab es kei­ne Ver­schluss­kap­pen, dann fehl­ten wie­der die Last­wa­gen, die die Ware aus­lie­fern soll­ten. Hin­zu kommt eine teils mas­si­ve Personalknappheit.

Das eigent­li­che Pro­blem aber hat sich über Jah­re auf­ge­baut und ist von unse­rem Gesund­heits­sys­tem selbst ver­ur­sacht: Da die Erstat­tungs­prei­se für Fie­ber­säf­te – wie für vie­le ande­re Gene­ri­ka auch – seit Jah­ren auf nied­rigs­tem Niveau fest­ze­men­tiert sind, ist die Pro­duk­ti­on für vie­le Her­stel­ler nicht mehr wirt­schaft­lich. Immer mehr Gene­rik­aun­ter­neh­men haben sich des­halb aus der Ver­sor­gung zurückgezogen.

Die­se Markt­kon­zen­tra­ti­on sehen wir in beson­ders dra­ma­ti­scher Form bei den Par­acet­amol-Fie­ber­säf­ten. Waren es vor zwölf Jah­ren noch 11 Anbie­ter, die den Markt ver­sorg­ten, ist jetzt nur noch ein nen­nens­wer­ter Anbie­ter übrig. Erst im Mai 2022 war der vor­letz­te Haupt­her­stel­ler aus Wirt­schaft­lich­keits­grün­den aus der Pro­duk­ti­on von Fie­ber­saft aus­ge­stie­gen. Doch auch beim Fie­ber­saft mit dem Wirk­stoff Ibu­profen gibt es bereits einen bedroh­li­chen Rück­gang der Her­stel­ler­an­zahl. Hier ver­sorgt das Phar­ma­un­ter­neh­men Zen­ti­va allein zwei Drit­tel des Mark­tes. Zum aktu­el­len Stand der ein­ge­schränk­ten Ver­füg­bar­keit von Par­acet­amol- und Ibu­profen-hal­ti­gen Fie­ber­säf­ten für Kin­der infor­miert das Bun­des­amt für Arz­nei­mit­tel und Medi­zin­pro­duk­te (BfArM) hier.

Wie viel erhal­ten die Her­stel­ler für eine Fla­sche Fiebersaft?

Der Fest­be­trag ist die Sum­me, die die Kran­ken­kas­sen für ein Arz­nei­mit­tel erstat­ten. Ein Teil davon geht an die Hersteller.

Für die Fla­sche Par­acet­amol-Fie­ber­saft erhal­ten Her­stel­ler seit zehn Jah­ren 1,36 Euro. Zum Janu­ar 2023 wird der Fest­be­trag erst­mals erhöht, so dass ein Unter­neh­men fort­an 1,43 Euro pro Fla­sche erhält. Dazu Andre­as Burk­hardt, Gene­ral Mana­ger Teva Deutsch­land & Öster­reich und stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der von Pro Gene­ri­ka zu der Ent­wick­lung bei Par­acet­amol-Säf­ten: „Die Erhö­hung bringt uns umge­rech­net 7 Cent mehr pro Fla­sche – zu wenig um aus dem Minus­ge­schäft raus zu kom­men. Es ist ein posi­ti­ves Signal, das Grund­pro­blem aber bleibt.“

Um wirt­schaft­lich pro­du­zie­ren zu kön­nen, hat Teva nun den Preis über den Fest­be­trag erhöht. Burk­hardt: „Das war kein leich­ter Schritt für uns, da die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten jetzt Zuzah­lun­gen leis­ten müssen.“

Für die Fla­sche Ibu­profen-Fie­ber­saft erhal­ten Her­stel­ler weni­ger als 2 Euro von den Kran­ken­kas­sen erstat­tet. Die­ser Fest­be­trag wur­de seit mehr als zehn Jah­ren nicht erhöht.

War­um sind der­zeit gera­de Kin­der­arz­nei­mit­tel von Lie­fer­eng­päs­sen betroffen?

Bei Kin­der­arz­nei­mit­teln ist der Kos­ten­druck noch höher als bei ande­ren Gene­ri­ka. Denn die­se haben in der Regel einen nied­ri­gen Fest­be­trag. Das ist der Betrag, den Kran­ken­kas­sen dem Her­stel­ler erstat­ten – unab­hän­gig davon, wie hoch sei­ne Her­stell­kos­ten sind. Kin­der­arz­nei­mit­te  sind aber in der Her­stel­lung, zumin­dest wenn es sich um Säf­te han­delt, deut­lich aufwändiger.

Das hat zwei­er­lei Gründe:

Der unter­schied­li­che Auf­wand, der bei der Her­stel­lung der Dar­rei­chungs­form ent­steht – also ob es sich um eine Tablet­te oder Saft han­delt –  wird bei der Erstat­tung zu wenig berück­sich­tigt. Kin­der bevor­zu­gen Säf­te. Und die sind deut­lich auf­wän­di­ger zu pro­du­zie­ren und somit teu­rer in der Her­stel­lung. Wer also ein Arz­nei­mit­tel in Saft-Form her­stellt, wird dafür mit Mehr­kos­ten bestraft, die nur unzu­rei­chend erstat­tet werden.

Die Höhe des Fest­be­trags rich­tet sich maß­geb­lich auch nach der Men­ge des Wirk­stoffs. Da Kin­der eine gerin­ge­re Men­ge an Wirk­stoff erhal­ten, wer­den Kin­der­arz­nei­mit­tel gerin­ger ver­gü­tet.

Bork Bretthauer, Geschäftsführer

Bork Brett­hau­er

Geschäfts­füh­rer

Das Erstat­tungs­sys­tem unse­res Gesund­heits­sys­tems hat einen blin­den Fleck — und der betrifft die Kin­der­arz­nei­mit­tel. Wer sie her­stellt, wird bestraft. Denn Her­stel­ler erhal­ten dafür weni­ger Geld als für ande­re Dar­rei­chungs­for­men, haben aber oft deut­lich höhe­re Produktionskosten.

Wie kam es zum Eng­pass beim Brust­krebs­mit­tel Tamoxifen?

Bei Tam­oxi­fen – einem Wirk­stoff, der als soge­nann­tes Anti-Östro­gen bei hor­mon­re­zep­tor­po­si­ti­ven Brust­krebs­er­kran­kun­gen ein­ge­setzt wird – ist es in den ers­ten Mona­ten des Jah­res ver­mehrt zu Lie­fer­eng­päs­sen gekommen. 

Wich­ti­ge Zulie­fe­rer, bei denen ein gro­ßer Teil der betrof­fe­nen Unter­neh­men Ware bezo­gen haben, hat­ten ihre Prei­se spür­bar erhöht, so dass es für Gene­rik­aun­ter­neh­men unter den gege­be­nen Erstat­tungs­be­din­gun­gen wirt­schaft­lich nicht mehr dar­stell­bar war, sich wei­ter an der Ver­sor­gung zu betei­li­gen. Alter­na­ti­ve Zulie­fe­rer zu fin­den, war unter ande­rem des­we­gen nicht leicht, weil es nicht mehr genug von ihnen gab.

Auch auf Ebe­ne der Arz­nei­mit­tel­her­stel­ler zeig­te sich eine oli­go­po­lis­ti­sche Struk­tur. Waren es vor 15 Jah­ren noch weit mehr als ein Dut­zend Her­stel­ler gewe­sen, die den deut­schen Markt mit Tam­oxi­fen-Arz­nei­mit­teln ver­sorg­ten, war deren Zahl der Unter­neh­men zum Zeit­punkt des Eng­pas­ses auf vier geschrumpft. Alle ande­ren hat­ten die Pro­duk­ti­on in den ver­gan­ge­nen Jah­ren ein­ge­stellt. Es dau­er­te nicht lan­ge, bis alle vier Unter­neh­men lie­fer­un­fä­hig waren.

Im Früh­jahr 2022 gelang es trotz­dem den Ver­sor­gungs­eng­pass abzu­wen­den. Dafür sorg­te zum einen eine Son­der­ge­neh­mi­gung des Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­ums, dass die Ein­fuhr tam­oxi­fen­hal­ti­ger Arz­nei­mit­tel gestat­te­te. Zum ande­ren konn­te der Her­stel­ler Hex­al eine Son­der­pro­duk­ti­on Tam­oxi­fen ein­schie­ben und das Pro­blem damit – zumin­dest vor­über­ge­hen – zu lösen.

Hat sich die Lage bei Tam­oxi­fen jetzt entspannt?

Der­zeit gibt es genug Arz­nei­mit­tel mit dem Wirk­stoff Tam­oxi­fen für alle Brust­krebs­pa­ti­en­tin­nen in Deutsch­land. Die Markt­kon­zen­tra­ti­on aber ist noch bedenk­li­cher gewor­den als vor­her.

Der­zeit gibt es bloß noch zwei Unter­neh­men, die den Markt mit Tam­oxi­fen ver­sor­gen – und von ihnen hat ein Unter­neh­men einen Markt­an­teil von vier Fünf­tel (Stand: Dezem­ber 2022).

Übri­gens ist das Preis­ni­veau, das zu den Markt­aus­trit­ten der Her­stel­ler und Zulie­fe­rer geführt hat, noch das­sel­be. Seit 2010 wur­de der Fest­be­trag für den Her­stel­ler nicht erhöht. Das heißt: Für die Drei­mo­nats­pa­ckung Tam­oxi­fen erhält ein Unter­neh­men seit nun­mehr zwölf Jah­ren nur rund 8,80 Euro – und das, obwohl die Kos­ten seit­dem mas­siv ange­stie­gen sind. 

Bork Brett­hau­er

Geschäfts­füh­rer

Nur weil der Eng­pass beim Brust­krebs­mit­tel Tam­oxi­fen abge­wen­det wer­den konn­te, hat sich das Pro­blem nicht gelöst. Im Gegen­teil: Die Situa­ti­on am Markt ist noch ver­schärf­ter. Hier muss die Poli­tik als aller­ers­tes anset­zen – sonst ist es nur eine Fra­ge der Zeit, bis Tam­oxi­fen wie­der knapp wird.

War­um kommt es vor allem bei Anti­bio­ti­ka immer wie­der zu Engpässen?

Die Pro­duk­ti­on von Anti­bio­ti­ka ist anspruchs­voll, das Erstat­tungs­ni­veau sehr nied­rig. Her­stel­ler erhal­ten oft nur ein paar Cent pro Tages­the­ra­pie­do­sis. In der Ver­gan­gen­heit haben sich vie­le Her­stel­ler aus der Ver­sor­gung zurück­ge­zo­gen – ein­fach, weil die Pro­duk­ti­on für sie nicht mehr wirt­schaft­lich ist. Bei vie­len Anti­bio­ti­ka beob­ach­ten wir des­we­gen eine gefähr­li­che Markt­kon­zen­tra­ti­on. So gibt es für man­che bloß noch einen oder zwei Anbie­ter. Hat die­ser Pro­duk­ti­ons­pro­ble­me, ist oft kein ande­rer da, der ein­sprin­gen kann. Die Ener­gie­kri­se ver­schärft das Pro­blem der­zeit noch, denn die Pro­duk­ti­on von Anti­bio­ti­ka ist sehr ener­gie­auf­wän­dig und hat sich – bei gleich­blei­bend nied­ri­gen Erstat­tungs­prei­sen – stark ver­teu­ert. Eine noch stär­ke­re Markt­ver­en­gung bei ein­zel­nen Arz­nei­mit­teln könn­te die Fol­ge sein.

Was tun Gene­ri­ka-Unter­neh­men, um die Fol­gen der Eng­päs­se abzuschwächen?

Tritt ein Eng­pass ein, arbei­ten die Unter­neh­men mit Hoch­druck dar­an, so schnell wie mög­lich wie­der kom­plett lie­fer­fä­hig zu sein. Wie im Fal­le der Fie­ber­säf­te bau­en sie, wo immer mög­lich die Pro­duk­ti­on aus, um etwa den gestie­ge­nen Bedarf zu decken. Eng­päs­se in der Lie­fer­ket­te ver­su­chen sie zu über­brü­cken und sie bemü­hen sich, zusätz­li­che Trans­por­te zu orga­ni­sie­ren. Die so ent­ste­hen­den Mehr­kos­ten neh­men sie in Kauf, denn ihr Anspruch ist es, die Ver­sor­gung zu sichern.

Wird aber eine Pro­duk­ti­on aus­ge­baut, hat das meist zur Fol­ge, dass ande­re Arz­nei­mit­tel nicht pro­du­ziert wer­den kön­nen, da die Pro­duk­ti­ons­stra­ßen bis auf Mona­te hin voll aus­ge­las­tet sind. So war es etwa, als der Ver­sor­gungs­eng­pass beim Brust­krebs­mit­tel nur durch eine Son­der­pro­duk­ti­on von Hex­al abge­wen­det wer­den konnte.

War­um gibt es ande­ren Län­dern weni­ger Eng­päs­se als in Deutschland?

Tat­sa­che ist, dass die Kran­ken­kas­sen hier­zu­lan­de für vie­le Arz­nei­mit­tel weni­ger bezah­len, als sie kos­ten. Nur weni­ge euro­päi­sche Län­der bezah­len noch nied­ri­ge­re Prei­se für Gene­ri­ka als Deutsch­land. Ande­re Staa­ten ach­ten nicht nur dar­auf, dass die Ver­sor­gung mög­lichst bil­lig ist – und haben infol­ge­des­sen auch weni­ger Engpässe.

Wann ist mit einer Ent­span­nung der Lage in den Apo­the­ken zu rechnen?

Das Ende der Eng­päs­se ist der­zeit nicht abseh­bar. Gera­de bei Fie­ber- und Erkäl­tungs­mit­teln und Anti­bio­ti­ka hängt viel davon ab, wie sich das Infek­ti­ons­ge­sche­hen gera­de auch bei Atem­wegs­er­kran­kun­gen in den kom­men­den Wochen entwickelt.

Grund­sätz­lich ist davon aus­zu­ge­hen, dass die Zahl der Eng­päs­se in den kom­men­den Mona­ten eher noch zunimmt. Denn die Infla­ti­on hat das Poten­zi­al, die Eng­pass­pro­ble­ma­tik noch zu verschärfen.

Wel­che Rol­le spie­len die aktu­el­len Kos­ten­stei­ge­run­gen bei den Engpässen?

Wie vie­le ande­re Bran­chen auch, haben Gene­ri­ka-Unter­neh­men der­zeit mit explo­die­ren­den Kos­ten zu kämp­fen. Ob Wirk­stof­fe, Ener­gie oder Trans­port – alles ist deut­lich teu­rer gewor­den. Doch anders als ande­re Bran­chen, kön­nen Gene­ri­ka-Her­stel­ler ihre Prei­se nicht anpas­sen. Sie blei­ben auf den Mehr­kos­ten sit­zen und wer­den in den kom­men­den Mona­ten immer öfter Pro­duk­tio­nen ein­stel­len müs­sen, um Minus­ge­schäf­te zu ver­mei­den. Wird es sei­tens der Poli­tik kei­nen kurz­fris­ti­gen Infla­ti­ons­aus­gleich geben, sind wei­te­re Markt­aus­trit­te zu erwar­ten, was die Gefahr wei­te­rer Eng­päs­se erhöht. 

Bork Bretthauer, Geschäftsführer

Bork Brett­hau­er

Geschäfts­füh­rer

Rasant stei­gen­de Wirk­stoff- und Pro­duk­ti­ons­kos­ten bei ein­ge­fro­re­nen Prei­sen machen die Pro­duk­ti­on von Arz­nei­mit­teln wie Fie­ber­säf­ten zum Verlustgeschäft.

War­um kön­nen Gene­ri­ka-Her­stel­ler die Prei­se nicht erhöhen?

Ein Netz aus Kos­ten­spar­in­stru­men­ten hält die Prei­se von Gene­ri­ka seit vie­len Jah­ren im Keller.

  • FEST­BE­TRÄ­GE: Für die meis­ten Gene­ri­ka gibt es einen Fest­be­trag – das ist die maxi­ma­le Sum­me, die die gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen dem Her­stel­ler gestat­ten. Hebt ein Her­stel­ler sei­nen Preis über den Fest­be­trag an, müs­sen die Patient:innen die Dif­fe­renz selbst bezahlen.
  • PREIS­MO­RA­TO­RI­UM: Ist für ein Gene­ri­kum kein Fest­be­trag fest­ge­legt, unter­liegt es dem soge­nann­ten Preis­mo­ra­to­ri­um. Dies friert die Prei­se auf dem Niveau von 2009 ein, bzw. fixiert den Preis, mit dem das Arz­nei­mit­tel zu einem spä­te­ren Zeit­punkt auf den Markt gekom­men ist. Hebt nun der Unter­neh­mer sei­nen Preis über die vom Preis­mo­ra­to­ri­um fest­ge­leg­te Preis­gren­ze an, muss er die Dif­fe­renz als Rabatt an die Kran­ken­kas­sen zurückzahlen. 
  • REGEL VON DEN VIER GÜNS­TIGS­TEN: Dar­über hin­aus gibt es – neben zusätz­li­chen gesetz­lich vor­ge­se­he­nen Rabat­ten —  wei­te­re Preis­re­gu­lie­rungs­me­cha­nis­men, die dafür sor­gen, dass die Prei­se „im Kel­ler“ blei­ben. Eines davon ist die soge­nann­te 4‑G-Regel — juris­tisch gese­hen eine unter­ge­setz­li­che Rege­lung. Sie ver­pflich­tet die Apo­the­ken dazu, stets eines der vier güns­tigs­ten Prä­pa­ra­te abzu­ge­ben, sofern es kei­nen Rabatt­ver­trag gibt. Wer also hier nicht dar­un­ter fällt, wird nicht abgegeben.
  • RABATT­VER­TRÄ­GE: Zu guter Letzt sind es die Rabatt­ver­trä­ge, die das Preis­ni­veau fixie­ren. Hier ver­pflich­ten sich die Her­stel­ler im Rah­men von Aus­schrei­bun­gen, ein bestimm­tes Arz­nei­mit­tel zwei Jah­re lang zu einem ver­ein­bar­ten Preis zu lie­fern. Da die­se Aus­schrei­bung der­je­ni­ge gewinnt, der der Kran­ken­kas­se den höchs­ten Rabatt gewährt, ist die­ser Preis meist sehr nied­rig. Eine Anpas­sung nach oben – etwa wegen gestie­ge­ner Kos­ten – ist wäh­rend eines lau­fen­den Ver­tra­ges nicht möglich.

Beson­ders fatal: Die­se Instru­men­te wir­ken meist im Zusam­men­spiel auf Gene­ri­ka ein. So unter­lie­gen die aller­meis­ten Gene­ri­ka sowohl einem Fest­be­trag als auch einem Rabatt­ver­trag. Erhöht nun ein Her­stel­ler sei­nen Preis, muss er die­se Erhö­hung direkt wie­der an die Kran­ken­kas­sen abfüh­ren. Denn mit der Preis­er­hö­hung erhöht sich auch der Rabatt an die Kran­ken­kas­se – und der rea­le Preis bleibt wei­ter­hin im Keller.

Ist die Abhän­gig­keit von Asi­en eine Ursa­che für die der­zei­ti­gen Engpässe?

Der jah­re­lan­ge Kos­ten­druck hat zu einer Abwan­de­rung der Pro­duk­ti­on gene­ri­scher Wirk­stof­fe nach Asi­en geführt. Zwei Drit­tel der Wirk­stof­fe, die hier­zu­lan­de benö­tigt wer­den, stam­men mitt­ler­wei­le aus Län­dern wie Chi­na und Indi­en. Das hat zur Fol­ge, dass sich die Lie­fer­ket­ten etwa gene­ri­scher Blut­druck­sen­ker oder Dia­be­tes­mit­tel über den gesam­ten Glo­bus erstrecken.

Wie in ande­ren Bran­chen auch hat das gera­de in Zei­ten der Pan­de­mie und des erschüt­ter­ten Welt­han­dels zur Fol­ge, dass Lie­fer­ket­ten immer wie­der unter­bro­chen sind. Hier­bei ist es weni­ger pro­ble­ma­tisch, dass die Wirk­stof­fe aus Indi­en und Chi­na kom­men als viel­mehr, dass sie aus­schließ­lich von dort kommen.

Die­ses Klum­pen­ri­si­ko ist Fol­ge des Dog­mas des güns­tigs­ten Prei­ses, das Unter­neh­men jah­re­lang gezwun­gen hat, dort ein­zu­kau­fen, wo es am bil­ligs­ten ist, und dafür gesorgt hat, dass Lie­fer­ket­ten mit Blick auf die Ver­sor­gungs­si­cher­heit nicht ange­mes­sen diver­si­fi­ziert wer­den konnten.

Mit Blick auf die aktu­el­len Eng­päs­se aber lässt sich sagen: Knapp­hei­ten wie bei Fie­ber­saft oder Tam­oxi­fen haben ihre Ursa­che dar­in, dass die Pro­duk­ti­on für die Unter­neh­men nicht mehr wirt­schaft­lich war. Sie haben nichts mit der Abhän­gig­keit von Asi­en zu tun, son­dern sind eine Fol­ge des Spar­drucks und somit hausgemacht.


Was sind mög­li­che Lösungs­an­sät­ze, um zukünf­ti­ge Lie­fer­eng­päs­se zu vermeiden?

Um die Ver­sor­gung zu sta­bi­li­sie­ren ist es ist es vor allem not­wen­dig, den jahr­zehn­te­lan­gen Kos­ten­druck zu lockern. Denn er hat die Her­stel­lung vie­ler Arz­nei­mit­tel zum Ver­lust­ge­schäft wer­den las­sen und zu einer mas­si­ven Abwan­de­rung der Pro­duk­ti­on. Für eine siche­re Ver­sor­gung braucht es ein Preis­ni­veau, das eine aus­kömm­li­che Pro­duk­ti­on mit resi­li­en­ten und diver­si­fi­zier­ten Lie­fer­ket­ten gestat­tet und ein Sys­tem, das es den Her­stel­lern erlaubt, Kos­ten­stei­ge­run­gen abzufedern.

Ziel muss es sein, dass wie­der mehr Her­stel­ler in die Pro­duk­ti­on ein­stei­gen. Erst wenn genug Gene­ri­ka-Unter­neh­men an der Ver­sor­gung teil­neh­men, kann das Aus­schei­den eines Markt­teil­neh­mers bzw. eine erhöh­te Nach­fra­ge auch vom Markt abge­fan­gen werden.

Dafür aber braucht es Anrei­ze und ande­re Rah­men­be­din­gun­gen für die Gene­ri­ka-Ver­sor­gung. Die­se zu ändern ist Auf­ga­be der Poli­tik. Sie will im neu­en Jahr ein Gene­ri­ka-Gesetz ver­ab­schie­den, das die Ursa­chen für die Lie­fer­eng­päs­se bekämp­fen will.

In die­sem Gesetz muss es dar­um gehen, end­lich weg vom Haupt­sa­che-Bil­lig-Prin­zip bei Gene­ri­ka und hin zu einem Sys­tem zu kom­men, das Her­stel­ler den Auf­bau von resi­li­en­ten Lie­fer­ket­ten und einer sta­bi­len Pro­duk­ti­on gestat­tet. Für 6 Cent am Tag – so wenig erhält ein Her­stel­ler der­zeit für die Tages­do­sis eines Gene­ri­kums – kann Ver­sor­gung zwar bil­lig sein, nicht aber sta­bil genug, um Kri­sen wie die aktu­el­le abzufangen.

Wie bewer­tet Pro Gene­ri­ka die Eck­punk­te, die Gesund­heits­mi­nis­ter Lau­ter­bach zum geplan­ten Gene­ri­ka-Gesetz vor­ge­legt hat?

Dazu sagt Pro Gene­ri­ka-Geschäfts­füh­rer Bork Bretthauer:

„Das Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­um hat end­lich erkannt, dass das Haupt­sa­che-Bil­lig-Prin­zip bei Gene­ri­ka die Ver­sor­gung desta­bi­li­siert hat und zu Eng­päs­sen führt. Es ist gut, dass es jetzt gegen­steu­ert und in ein­zel­nen Berei­chen den extre­men Kos­ten­druck lockern will. Damit geht es an die Wur­zel des Pro­blems. Das ist vor allem mit Blick auf die Kin­der­arz­nei­mit­tel rich­tig, denn zuletzt war die Her­stel­lung die­ser Arz­nei­mit­tel für die Unter­neh­men unwirt­schaft­lich geworden.

Rich­tig ist auch, dass das Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um für mehr Diver­si­fi­zie­rung der Anbie­ter und Lie­fer­ket­ten bei zunächst eini­gen Wirk­stof­fen sor­gen will. Es hat erkannt, dass es kei­ne Diver­si­fi­zie­rung von Anbie­tern und Lie­fer­ket­ten geben kann, sofern nur ein ein­zi­ger Her­stel­ler in den Rabatt­ver­trä­gen berück­sich­tigt wird und die gesam­te Ver­sor­gung sichern muss. Aus unse­rer Sicht soll­ten des­halb gene­rell immer meh­re­re Her­stel­ler einen Zuschlag bekom­men. Zudem ist es wich­tig, dass die aktu­el­le Stei­ge­rung der Her­stell­kos­ten in Rabatt­ver­trä­gen und im Fest­be­trags­sys­tem abge­bil­det werden.

Die heu­te bekannt gewor­de­nen Eck­punk­te sind der Start­schuss zu einem mehr­mo­na­ti­gen Gesetz­ge­bungs­pro­zess. Der Spar­druck der letz­ten Jah­re hat jedoch mas­si­ve struk­tu­rel­le Spu­ren hin­ter­las­sen, die nicht über Nacht besei­tigt wer­den kön­nen. Eine Stei­ge­rung der Pro­duk­ti­on bzw. ein Aus­bau von Pro­duk­ti­ons­ka­pa­zi­tä­ten nimmt Mona­te und zum Teil sogar Jah­re in Anspruch.

Daher ist jetzt kurz­fris­tig wich­tig, dass alle Akteu­re im Gesund­heits­sys­tem gemein­sam mit Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein und Prag­ma­tis­mus zusam­men­ar­bei­ten, um die Ver­sor­gung der Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten in Deutsch­land sicherzustellen.“

Wie bewer­tet Pro Gene­ri­ka die Aus­set­zung der Fest­be­trä­ge von Kin­der­arz­nei­mit­teln durch den GKV-Spitzenverband?

Dazu sagt Bork Brett­hau­er, Geschäfts­füh­rer von Pro Generika:

„Eine Aus­set­zung der Fest­be­trä­ge für Kin­der­arz­nei­mit­tel, wie sie der GKV-Spit­zen­ver­band ver­fügt hat, ist eine Ges­te – aber sie wird das Pro­blem der Eng­päs­se kurz­fris­tig nicht lösen. Denn: Woher sol­len die Fie­ber­säf­te plötz­lich kommen?

Unse­re Unter­neh­men pro­du­zie­ren der­zeit rund um die Uhr. Es gibt kei­ne Ware, die kurz­fris­tig auf den Markt kom­men könn­te, nur weil sich der Preis für drei Mona­te erhöht.  Kurz­fris­tig ist für die letz­ten ver­blie­be­nen Her­stel­ler kei­ne Mehr­pro­duk­ti­on mög­lich, so dass inner­halb weni­ger Mona­te kei­ne Ent­span­nung der Lage ein­tre­ten kann.

Des­halb reicht ein Aus­set­zen der Fest­be­trä­ge nicht aus – schon gar nicht für ein paar Wochen. Wir brau­chen lang­fris­ti­ge Anrei­ze für Unter­neh­men. Sie wer­den sich erst wie­der an der Pro­duk­ti­on von Kin­der­arz­nei­mit­teln betei­li­gen, wenn sie auch per­spek­ti­visch mit aus­kömm­li­chen Prei­sen rech­nen können.

Außer­dem muss klar sein: Die Lage kann sich nur ver­bes­sern, wenn Preis­er­hö­hun­gen auch bei den Unter­neh­men ankom­men. Und das tun sie nur, wenn auch ande­re, rein auf Kos­ten­sen­kung abzie­len­de Rege­lun­gen wie Rabatt­ver­trä­ge oder 4‑G-Regel, aus­ge­setzt wer­den. Ansons­ten wer­den die höhe­ren Prei­se von den ande­ren Kos­ten­spar­in­stru­men­ten direkt wie­der aufgefressen.

All das muss das vom Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um ange­kün­dig­te Gesetz berück­sich­ti­gen, sonst kann sich die Besorg­nis erre­gen­de Situa­ti­on bei Arz­nei­mit­tel­eng­päs­sen nicht entspannen.“

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Fra­gen und Ant­wor­ten: Des­halb wer­den unse­re Arz­nei­mit­tel knapp
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Wie der Kos­ten­druck auf Gene­ri­ka Lie­fer­eng­päs­se herbeiführt

Wäh­rend immer mehr Gene­ri­ka ver­ord­net wer­den, sinkt ihr Anteil an den Kos­ten. Das stei­gert das Risi­ko für Lieferengpässe.

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Anna Stein­bach

Die Ger­ma­nis­tin und His­to­ri­ke­rin war nach ihrem Volon­ta­ri­at bei der Axel-Sprin­ger-Jour­na­lis­ten­schu­le vie­le Jah­re bei Tages­zei­tun­gen und in einer Wer­be­agen­tur tätig. Seit 2019 ver­ant­wor­tet sie den Bereich Kom­mu­ni­ka­ti­on bei Pro Generika.

Anna Steinbach