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EU-Richt­li­nie kann zu neu­en Eng­päs­sen führen

Die neue kom­mu­na­le Abwas­ser­richt­li­nie (UWWTD) aus Brüs­sel könn­te die aktu­el­le Medi­ka­men­ten­knapp­heit dras­tisch verschärfen.

Sie belas­tet die Gene­ri­ka-Her­stel­ler stark und kann die Pro­duk­ti­on lebens­wich­ti­ger Arz­nei­mit­tel unwirt­schaft­lich machen. Jetzt kommt es auf die Bun­des­re­gie­rung an. 

Dar­um geht’s!

Die EU-Abwas­ser­richt­li­nie belas­tet Gene­ri­ka-Her­stel­ler mas­siv und trifft eine Bran­che, die schwer unter Kos­ten­druck steht.

Die Mehr­kos­ten für die Pro­duk­ti­on fal­len der­art hoch aus, dass die Pro­duk­ti­on von Dia­be­tes­mit­teln, Krebs-Medi­ka­men­ten und Anti­bio­ti­ka zum Ver­lust­ge­schäft wird.

Da die Prei­se fixiert sind, wer­den die Her­stel­ler die­se Arz­nei­mit­tel vom Markt neh­men müssen.

Die Fol­ge kann ein Tsu­na­mi an Eng­päs­sen sein.

Jetzt muss die Bun­des­re­gie­rung in der Umset­zung eine Lösung schaf­fen, die sowohl den Umwelt­schutz als auch die Ver­sor­gungs­si­cher­heit mit Arz­nei­mit­teln gewährleistet.

Die kom­mu­na­le Abwas­ser­richt­li­nie (Urban Was­te­wa­ter Tre­at­ment Direc­ti­ve — UWWTD), über die der Euro­päi­sche Rat jetzt abge­stimmt hat, könn­te gra­vie­ren­de Fol­gen für die Arz­nei­mit­tel­ver­sor­gung in Deutsch­land haben. Die geplan­te Ein­füh­rung einer vier­ten Rei­ni­gungs­stu­fe in Klär­an­la­gen soll zu 80 Pro­zent von Arz­nei­mit­tel- sowie Kos­me­ti­ka-Her­stel­lern finan­ziert wer­den. Die­se mas­si­ve finan­zi­el­le Belas­tung trifft ins­be­son­de­re die Gene­ri­ka-Unter­neh­men und kann die aktu­el­le Medi­ka­men­ten­knapp­heit dras­tisch verschärfen.

Dass die Mikro­schad­stof­fe, also Arz­nei­mit­tel und Kos­me­ti­ka, aber auch Far­ben, Rei­ni­gungs­mit­tel, Gum­mi­ab­rieb etc., aus dem Was­ser ent­fernt wer­den, ist gut und rich­tig. Aller­dings gelan­gen die­se nicht durch Pro­duk­ti­ons­ab­wäs­ser dort­hin, son­dern durch Aus­schei­dun­gen der Pati­en­ten und Pati­en­tin­nen. Des­halb ist die nun­mehr gere­gel­te Finan­zie­rung zwei­fel­haft. Denn anders als beim Aus­bau der drit­ten Klär­stu­fe – die­se wur­de auch über die Abwas­ser­ge­büh­ren bezahlt – sol­len hier die Her­stel­ler selbst her­an­ge­zo­gen werden.

Unver­hält­nis­mä­ßi­ge Kos­ten­be­las­tung für Generika-Hersteller

Rund 9 Mil­li­ar­den Euro wird der Aus­bau der Klär­wer­ke in Deutsch­land nach Schät­zun­gen des Ver­bands kom­mu­na­ler Unter­neh­men (VKU) kos­ten. Hin­zu kom­men jähr­li­che Betriebs­kos­ten von etwa einer Mil­li­ar­de Euro. Der Groß­teil die­ser Sum­me ist von der Gene­ri­ka-Bran­che auf­zu­brin­gen, denn sie pro­du­ziert 80 Pro­zent der Arzneimittel.

Ver­sor­gungs­si­cher­heit in Gefahr

Wird die Finan­zie­rung der Richt­li­nie wie der­zeit geplant umge­setzt, wer­den die Kos­ten für die Pro­duk­ti­on lebens­wich­ti­ger Arz­nei­mit­tel emp­find­lich anstei­gen: Pro Tablet­te, so ers­te gro­be Rech­nun­gen, lie­gen die Mehr­kos­ten bei Stan­dard­wirk­stof­fen wie Par­acet­amol, Met­formin oder dem Anti­bio­ti­kum Amoxi­cil­lin bei 0,05 bis 0,44 Euro pro Tablet­te. Dies über­steigt die ohne­hin gerin­gen Gewinn­span­nen der Gene­ri­ka-Her­stel­ler deut­lich und macht die Pro­duk­ti­on vie­ler lebens­wich­ti­ger Medi­ka­men­te unrentabel.

Zwei Zah­len zur Einordnung:

  • Die gesam­te gene­ri­sche Indus­trie setzt pro Jahr mit rezept­pflich­ti­gen Arz­nei­mit­teln in Apo­the­ken ledig­lich 2,4 Mil­li­ar­den Euro (2023) um.
  • Die durch­schnitt­li­chen Kos­ten einer Tages­do­sis eines Gene­ri­kums lie­gen bei nur 6 Cent.

Die Fol­gen der mas­si­ven Mehr­be­las­tung sind abseh­bar: Her­stel­ler wer­den die betref­fen­den Arz­nei­mit­tel vom Markt neh­men müs­sen. Eine dra­ma­ti­sche Medi­ka­men­ten­knapp­heit wird die Fol­ge sein. Und zwar u. a. bei Krebs­mit­teln, Dia­be­tes-Medi­ka­men­ten und Antibiotika.

Dazu sagt Bork Brett­hau­er, Geschäfts­füh­rer von Pro Gene­ri­ka: „Was wir der­zeit an Eng­päs­sen erle­ben, ist nur die Ouver­tü­re für das, was kom­men wird. Wenn die Richt­li­nie so umge­setzt, wie es der­zeit aus­sieht, wird es einen Tsu­na­mi an Eng­päs­sen geben.

Zwei­fel­haf­te Rechtsgrundlage

Seit Jah­ren weist sein Ver­band bei poli­tisch Ver­ant­wort­li­chen auf die Fol­gen der Richt­li­nie für die Ver­sor­gungs­si­cher­heit hin und moniert die Grund­la­ge der Ent­schei­dung, die die Kos­ten der vier­ten Klär­stu­fe unfair verteilt.

In der Kri­tik beson­ders das Prin­zip der Her­stel­ler­ver­ant­wor­tung, das der Finan­zie­rungs-Ent­schei­dung zugrun­de liegt, und in den Augen von Pro Gene­ri­ka völ­lig unan­ge­bracht ist. Schließ­lich stam­men die Mikro­ver­un­rei­ni­gun­gen, um die es geht, nicht aus Pro­duk­ti­ons­ab­wäs­ser der phar­ma­zeu­ti­schen Indus­trie. Sie stam­men viel­mehr aus­schließ­lich aus den Aus­schei­dun­gen der Pati­en­tin­nen – also aus dem nor­ma­len Gebrauch von Medikamenten.

Ein­sei­ti­ge Belas­tung der ein­zel­nen Branchen

Dar­über hin­aus hat die vier­te Rei­ni­gungs­stu­fe der Klär­an­la­gen eine Wir­kung, die über Kos­me­ti­ka und phar­ma­zeu­ti­sche Stof­fe hin­aus­geht: So fil­tert sie auch ande­re Mikro­schad­stof­fe aus dem Abwas­ser — Ver­un­rei­ni­gun­gen näm­lich, die aus der Land­wirt­schaft oder aus Lacken, Far­ben oder Gum­mi­ab­rieb und somit aus Quel­len stam­men, deren Ver­ur­sa­cher nicht an den hohen Aus­bau- und Betriebs­kos­ten betei­ligt wer­den sollen.

Brett­hau­er dazu: „Das bedeu­tet, dass die Gene­ri­ka-Her­stel­ler eine unver­hält­nis­mä­ßi­ge finan­zi­el­le Last tra­gen wür­den, wäh­rend ande­re Sek­to­ren nicht in glei­chem Maße zur Finan­zie­rung her­an­ge­zo­gen werden.“

Appell an die Bundesregierung

Nach­dem die Bun­des­re­gie­rung bei der Abstim­mung am 5. Novem­ber nicht gegen die Richt­li­nie gestimmt hat, kann es für Pro Gene­ri­ka jetzt nur noch um natio­na­le Scha­dens­be­gren­zung gehen.

Brett­hau­er „Die Bun­des­re­gie­rung ist dafür ver­ant­wort­lich, dass die Men­schen in Deutsch­land gut mit Arz­nei­mit­teln ver­sorgt wer­den. Sie muss der ein­sei­ti­gen Belas­tung der Gene­rik­aun­ter­neh­men ent­ge­gen­wir­ken und die zu erwar­ten­den Aus­wir­kun­gen auf die Ver­sor­gungs­si­cher­heit in Deutsch­land eng im Blick behal­ten.“ Schließ­lich müs­se sie bei der natio­na­len Imple­men­tie­rung der Richt­li­nie den Spiel­raum im Sin­ne einer sinn­vol­len Indus­trie­po­li­tik nutzen.“

Auch gel­te es nun­mehr, das Ungleich­ge­wicht bei der Kos­ten­ver­tei­lung zu kor­ri­gie­ren und sicher­zu­stel­len, dass alle rele­van­ten Ver­ur­sa­cher ange­mes­sen zur Finan­zie­rung der Klär­an­la­gen­er­wei­te­rung bei­tra­gen. Brett­hau­er: „Die Erwei­te­rung der Klär­an­la­gen ist unbe­strit­ten wich­tig für den Umwelt­schutz. Doch die Umset­zung darf nicht zu Las­ten der Ver­sor­gungs­si­cher­heit gehen. Eine fai­re Kos­ten­ver­tei­lung und rea­lis­ti­sche Rah­men­be­din­gun­gen für die Gene­ri­ka-Indus­trie sind uner­läss­lich, um die Gesund­heits­ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung nicht zu gefährden.

War­um sind die Anti­bio­ti­ka knapp?

In unse­ren Apo­the­ken sind Anti­bio­ti­ka zur Man­gel­wa­re gewor­den. Wor­an liegt das und wie lässt sich das ändern? Eine mul­ti­me­dia­le Spu­ren­su­che mit Welt­kar­te — die­se zeigt, wo die wich­tigs­ten Anti­bio­ti­ka pro­du­ziert werden.

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