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Warum es auf Generika ankommt
Generika sind das Fundament unserer Arzneimittelversorgung. Von fünf Präparaten, die Ärzt:innen verschreiben, sind vier generisch. Ob zur Behandlung von Bluthochdruck, Diabetes oder Krebs – bei sämtlichen Volkskrankheiten werden zuallererst Nachahmerpräparate eingesetzt und machen Menschen gesund. Trotz des hohen Versorgungsanteils von 80 Prozent entfällt bloß ein Bruchteil der Kosten auf Generika. Lediglich knapp acht Prozent der Arzneimittel-Ausgaben landen bei den Generika-Unternehmen. Tendenz: sinkend.
Mehr Versorgung für weniger Geld
Seit Jahren steigt der Generika-Anteil an der Arzneimittelversorgung, während ihr Anteil an den Kosten immer weiter sinkt.
Das Problem der Arzneimittelengpässe
Seit über zehn Jahren werden immer wieder Medikamente knapp. Ob Antibiotika für Kinder, das Brustkrebsmittel Tamoxifen oder Asthma-Sprays mit Salbutamol – Lieferengpässe nehmen zu und wachsen sich immer öfter zu Versorgungsengpässen aus.
Die Knappheit ist eine Folge des Kostendrucks: Eine Überregulierung („Überökonomisierung“) des Marktes und die hyperkomplexen Wechselwirkungen zwischen diversen Preisdämpfungsinstrumenten
haben dazu geführt, dass das durchschnittliche Generikum nur noch 6 Cent pro Tagesdosis kostet. Immer weniger Hersteller können für diesen Preis noch wirtschaftlich produzieren, immer mehr steigen aus der Versorgung aus.
Gleichzeitig ist der überwiegende Teil der Wirkstoffproduktion aus Kostengründen nach China abgewandert. Und so kommt es immer wieder dazu, dass lebens wichtige Arzneimittel nicht lieferbar sind.
Es braucht eine Strategie für die Grundversorgung
Die Ampel-Regierung hat reagiert, doch weder die Pharmastrategie noch das Lieferengpass-Gesetz ALBVVG haben die Versorgungssicherheit bei Arzneimitteln verbessert.
Deshalb braucht es jetzt eine Strategie für Generika. Sie muss Maßnahmen aus den Bereichen der Gesundheits‑, Wirtschafts- und Umweltpolitik bündeln und die Grundversorgung so auf stabilere Füße stellen.
1. Gesundheitspolitik: Weg mit dem “Hauptsache-Billig-Prinzip”
Lieferengpässe sind eine Folge des Kostendrucks auf Generika. Die Politik hat mit ihrem Wunsch nach Einsparungen ein System aus Preissenkungsmechanismen geschaffen, in dem Unternehmen nur eine Chance auf dem Markt haben, wenn sie sich gegenseitig unterbieten.
Der Preis für Generika wurde in den Keller gedrückt. Eine durchschnittliche Tagesdosis kostet nur noch 6 Cent. Dies gefährdet die Versorgungssicherheit.
Denn: Investieren Unternehmen in resilientere Lieferketten oder in Produktionserweiterungen, haben sie höhere Herstellkosten – und sind damit im Unterbietungs Wettbewerb chancenlos. Das muss sich ändern: Alle Regeln der Preisbildung und der Erstattung für Generika müssen Anreize setzen für Investitionen in mehr Resilienz, den Ausbau von Produktion und mehr Versorgungssicherheit.
2. Wirtschaftspolitik: De-coupling und Standort stärken
Wegen des massiven Kostendrucks auf Generika wird das Gros der Wirkstoffe in Asien eingekauft. Das hat zu einer gefährlichen Abhängigkeit von China geführt. Diese bezieht sich auch auf lebenswichtige Arzneimittel wie Antibiotika.
Seit Jahren wird in der Politik die Frage diskutiert, ob die Wirkstoff- bzw. Arzneimittelproduktion zurück verlagert werden soll. Zwar ist dies nicht realistisch – wohl aber kann die Abhängigkeit von China reduziert werden, indem noch vorhandene Produktionsanlagen in Europa erhalten und ausgebaut werden.
In der nächsten Legislaturperiode müssen daher die Weichen für gezielte Investitionszuschüsse für Vor-Ort-Unternehmen und für auskömmliche Preise gestellt werden. Dies muss zuvörderst für Arzneimittel gelten, die besonders versorgungskritisch sind.
3. Umweltpolitik: Versorgungssicherheit nicht gefährden
Neben dem Verbot von PFAS und von F‑Gasen (Asthma-Dosierspray) ist zum Ende der vergangenen Legislaturperiode auf EU-Ebene eine Regelung verabschiedet worden, die die Generika-Hersteller besonders stark belastet. Die sogenannte „Urban Waste Water Treatment Directive“ (UWWTD) regelt die Finanzierung der „vierten Reinigungsstufe“ in Klärwerken, mit der Spurenstoffe aus dem Abwasser gefiltert werden sollen. Sie wird in der jetzigen Form die Versorgungssicherheit massiv schwächen.
Denn: Diese Maßnahme soll – obwohl es verschiedene Verursacher dieser Spurenstoffe gibt – mehrheitlich von der Generika-Branche finanziert werden. Die Kosten dafüraber übersteigen die Umsätze der Generika-Industrie um ein Vielfaches. Laut Schätzungen des Verbandes kommunalerUnternehmen (VKU) wird der Ausbau der Klärwerke in Deutschland rund neun Milliarden Euro kosten.
Dazu kommen jährliche Betriebskosten von rund einer Milliarde Euro. Bedenkt man, dass die gesamte generische Industrie nur 2,4 Milliarden Euro pro Jahr mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln in den Apotheken umsetzt, wird die Dimension des Problems deutlich.
Die Konsequenz dieser umweltpolitischen Maßnahme, die ohne Rücksicht auf gesundheitspolitische Folgen getroffen wurde, wird ein Tsunami von Engpässen sein. Weil sie ihre Mehrkosten nicht auf ihre Preise draufschlagen können, werden Hersteller Arzneimittel vom Markt nehmen müssen. Dann fehlen Krebsmittel, Diabetes-Medikamente, Antibiotika und mithin Arzneimittel, die viele Patient:innen dringend benötigt werden. Eine Lösung des Problems kann es nur geben, wenn Umwelt- und Gesundheitspolitik zusammen gedacht werden.
Biosimilars dürfen nicht Generika 2.0 werden
Trotz der Erfahrungen mit den Versorgungsengpässen bei Generika droht die Gesundheitspolitik bei den Biosimilars – also den Nachahmerprodukten ehemals patentgeschützter Biopharmazeutika – dieselben Fehler zu wiederholen.
Denn die sogenannte automatische Substitution von Biosimilars hat bereits für einen besonders kritischen Bereich der Biosimilars (z. B. zur Krebsbehandlung) den Weg zu exklusiven Rabattverträgen (= Unterbietungs-Wettbewerb)
geebnet – und wird absehbar damit zu einem massiv steigenden Kostendruck auf Biosimilars führen.
Nach der dahinterstehenden Logik sollen Biosimilars de facto wie Generika behandelt werden – mit wohl fatalen Folgen für die Herstellervielfalt, denn Biosimilars sind hochkomplex und nur mit Hilfe modernster Biotechnologie herzustellen. Infolgedessen gibt es für die meisten Biosimilars ohnehin nur eine Handvoll Hersteller.
Das Anti-Engpass-Gesetz ALBVVG sollte neue Anreize für Antibiotika-Hersteller bieten. Das war im Sommer 2023. Ist der Plan aufgegangen? Eine Bilanz.
Keinen Nutzen, hohe Risiken: Mehr Einsparungen sind bei Biosimilars nur auf Kosten der Versorgungssicherheit zu haben.